Der "unser" Serienmörder war
Elisabeth Scharang nähert sich dem Mörder und Häfen-Poeten Jack Unterweger (1950-94) fiktional. Johannes Krisch überzeugt in der Hauptrolle. "Jack" ist dennoch nicht der große Wurf, der er sein könnte.
Elisabeth Scharang nähert sich dem Mörder und Häfen-Poeten Jack Unterweger (1950-94) fiktional. Johannes Krisch überzeugt in der Hauptrolle. "Jack" ist dennoch nicht der große Wurf, der er sein könnte.
Was hat Österreichs Kiriminalgeschichte schon an Mördergestalten hervorgebracht, die es mit einem gestandenen Serienkiller von jenseits des Atlantiks aufnehmen können? Ach ja, da war die einsame Herzen per Antidiabetika entleibende Elfriede Blauensteiner, die aber doch zu kleinbürgerlich scheint, um für großes Drama herzuhalten. Auch Franz Fuchs, Briefbomber, oder Josef Fritzl, Kellertäter, entsprechen kaum Hollywood'schen Gangsterkriterien. Nur einer hätte auch das Zeug gehabt, selbigen zu genügen: Jack Unterweger, "unser" Serienmörder (wenn man dem letztlich nicht rechtskräftigen Gerichtsurteil glaubt) - elf Prosituertenmorde wurden ihm zur Last gelegt, nachdem der wegen eines Mordes Verurteilte im Häfen geläutert schien und literarisch aktiv wurde, sodass ihn eine ans Gute im Menschen glaubende Schickeria hofierte. Ob Jack Unterweger tatsächlich ein Serienmörder war, wird wohl offen bleiben, da er sich bekanntlich am Tag nach dem erstinstanzlichen Schuldspruch zu neun der elf angeklagten Fälle in seiner Zelle erhängte. Das war 1994.
20 Jahre später macht sich Elisabeth Scharang ans Filmwerk über Jack, dem sie einst als junge Radioreporterin selber begegnet ist. Eigentlich sind es sieben Jahre geworden, die seit Scharangs Recherchebeginn bis zum fertigen Film verstrichen sind.
Die Regisseurin hat sich im Genre ja längst einen Namen gemacht: In "Franz Fuchs -Ein Patriot" war Scharang schon 2007 das filmische Psychogramm des Briefbombers gelungen -nicht zuletzt wegen des grandiosen Karl Markovics in der Titelrolle.
Eiskalter Charakter, verzweifelter Gehetzter
Diesmal hat sich die Regisseurin einen anderen aus der ersten Klasse des heimischen Schauspiels zum Protagonisten erkoren: Wie Johannes Krisch den Jack anlegt, ist höchst eindrucksvoll. Dieser Schauspieler changiert großartig zwischen eiskaltem Charakter und verzweifeltem Gehetzten. Auch wie dieser Jack als Projektionsfläche des weltverbessernden Teils der österreichischen Gesellschaft jener Jahre taugte, nimmt man ihm in der Gestalt von Johannes Krisch ab.
Dennoch erweist sich "Jack" nicht als der ultimative Wurf, der der Film sein könnte. Zu Recht hat sich Elisabeth Scharang zwar für eine fiktionale Zugangsweise entschieden: Sie hat die Unterweger-Akten erkennbar gründlich studiert und daraus ihren Protagonisten ebenso herausdestilliert wie die ihn Umgebenden, Benutzenden, Jagenden: den Verleger, den Filmproduzenten, die Ermittler, den Psychiater, seine Bettgenossinnen sowie auch seine Mutter, die den kleinen Jack hatte sitzen lassen (nachdem ihr der Kindsvater abhanden gekommen war).
Doch es gelingt "Jack", dem Film, nicht wirklich, die Titelfigur fassbar zu machen. Vielleicht liegt das auch daran, dass Scharang keine Erklärungen liefert -nicht die verkorkste Kindheit soll für den Charakter von Jack herhalten, nicht eine psychische Störung, nicht das Böse an sich, als das Jack auch hätte personifiziert werden können. Die Filmemacherin verbeißt sich all dies und gibt auch nicht der Versuchung nach, eine der beiden möglichen Versionen -Jack war der Serienkiller, oder er war es nicht - zu präferieren. Es mag redliche Absicht sein, die historische Wahrheit (der man kaum mehr auf die Schliche kommen wird) nicht zu präjudizieren. Aber als Zuschauer hätte man im Film dann -Fiktion! - doch gern gewusst, ob Jack es war. Oder eben nicht.
Jack
A 2015. Von Elisabeth Scharang.
Mit Johannes Krisch, Corinna Harfouch, Birgit Minichmayr, Paulus Manker. Thimfilm. 97 Min.