Der Volksbischof mit MUT UND HERZ

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Ende Jänner jährte sich sein Todestag zum zweiten Mal. Dennoch ist Reinhold Stecher, der zweite Bischof von Innsbruck, der, wiewohl im 92. Lebensjahr stehend, über Nacht aus dem Leben gerissen wurde, nicht nur im "heiligen Land Tirol" in lebendiger Erinnerung. Der Tyrolia-Verlag weist noch 15 lieferbare Titel aus der Feder (und dem Pinsel) seines bischöflichen Autors aus. Der jüngste Band davon "Alles hat seine Zeit", eine Sammlung mit Texten aus Stechers Nachlass, ist im letzten Herbst erschienen.

Die erste Stecher-Biografie

Wiewohl Reinhold Stecher in seinen Büchern längst auch mit Autobiografischem aufgewartet hat, legt nun Martin Kolozs bei Styria Premium unter dem schlichten Titel "Bischof Reinhold Stecher. Leben und Werk" die erste klassische Stecher-Biografie vor.

Das Unterfangen von Kolozs, der unter anderem ein Buch über Karl Rahners Innsbrucker Jahre (2014), sowie Interviewbände mit Paul M. Zulehner (2012) und Konrad Paul Liessmann (2011) vorgelegt hat, kann dabei durchaus als riskant eingestuft werden. Denn Sprachkraft und Wortwitz von Reinhold Stecher sind legendär, sodass sich auch ein sich unvoreingenommen wähnender Leser versucht sieht, die Biografie an den Texten des Protagonisten zu messen.

Gottlob entgeht Autor Kolozs der Gefahr, dem Vorbild diesbezüglich nacheifern zu wollen: Als ebenso nüchtern wie der Titel erweist sich das, was er in den 155 Textseiten (mehr als 200 mit Anmerkungen und biografischen Daten) zusammengetragen hat. Dort, wo es angebracht schien, kommt Reinhold Stecher im O-Ton zu Wort - wenn es sein sollte, auch nicht zu knapp.

Verdienstvoll, wie die harte Kindheit und das Erwachsenwerden in der NS-Diktatur hier knapp, aber nachvollziehbar dargestellt erscheint. Dass er etwa unter den Fittichen von Otto Neururer religiös sozialisiert wurde, jenem Priester, der 1940 im KZ Buchenwald bestialisch ermordet worden war, und dessen Seligsprechung Stecher als Bischof betrieb, ist nur eine der Facetten davon. Auch dass Stecher zeitlebens davor gewarnt hatte, leichtfertig die Zeitgenossen jener Jahre, die nicht im Widerstand waren, zu kritisieren, arbeitet Kolozs heraus: Stecher, der selber im Visier der NS-Schergen und auch inhaftiert war, entging gerade noch dem KZ - er wusste, was es bedeutete, den damaligen Herren ein Dorn im Auge zu sein.

Biograf Kolozs arbeitet heraus, dass Reinhold Stecher keineswegs als liberaler Vorwärtsstürmer der katholischen Kirche Österreichs anzusehen war, auch wenn er es an Klarheit nicht missen ließ -selbst nicht dem Papst gegenüber, dem er 1997 in einer bis dahin von einem deutschsprachigen Bischof noch nie in derartiger Klarheit geäußerten Diagnose kirchlicher (Fehl-)Entwicklungen übermittelte.

Kein Antipode zu Vorgänger Rusch

Kolozs zeigt dann in der Darstellung von Paulus Rusch, dem Amtsvorgänger Stechers und ersten Innsbrucker Bischof, auf, dass dieser keineswegs der Antipode zu Stecher war, auch wenn er sich zum auf einer antijüdischen Ritualmordlegende fußenden Anderlvon-Rinn-Kult oder zum "Engelwerk" anders verhielt als Stecher, für den beide Causen zu kirchenpolitischen Meileinsteinen seiner bischöflichen Ära heranwuchsen.

1980 war der damalige Religionspädagogik-Professor Stecher zum Bischof geweiht worden, von 1985 bis 1994 benötigte er, um die Anderl-von-Rinn-Verehrung kirchenoffiziell zu unterbinden - der ultrakonservative Klüngel hat ihm dies bis heute nicht verziehen; ebensolches gilt für sein Agieren gegen das "Engelwerk", das dieser Bischof als "magische Entartung von Volksfrömmigkeit" brandmarkte. Aber bereits 1951 hatte Stecher in einem von Bischof Rusch angefordeten Gutachten das "Engelwerk" klar abgelehnt.

Im besten Wortsinn volksnah

Autor Kolozs entscheidet sich für einen Mut auch zur biografischen Lücke -Stechers Agieren in Sachen Anderl von Rinn bzw. Engelwerk, sein Einsatz für die Seligsprechung von Otto Neururer, die 1996 erfolgte, und der romkritische Brief stehen pars pro toto. Dass sich dieser - im besten Wortsinn -volksverbundene Hirte in der österreichischen Kirchenspitze mit Kardinal Hans Hermann Groër und Bischöfen wie Georg Eder, Kurt Krenn oder Andreas Laun äußerst unwohl fühlte, oder wie er zum Kirchenvolksbegehren stand, das 1995 -zwei Jahre vor seiner Emeritierung -von seiner Bischofsstadt Innsbruck ausging, fiel da unter den Tisch.

Doch es ist klar: Nicht alle Leseroder Rezensentenwünsche waren mit diesem Band zu befriedigen. Und es kann kein Zweifel darüber bestehen, dass Martin Kolozs diesem, wie er schreibt, zu den "charismatischsten Persönlichkeiten der römisch-katholischen Kirche in Österreich" zählenden Bischof gebührend lebendig werden lässt.

Buchpräsentationen: Montag, 23. Februar, 18.30 Uhr Otto Friedrich/DIE FURCHE im Gespräch mit Martin Kolozs Club Stephansplatz 4,1010 Wien

Montag, 2. März, 19.30 Uhr Ort: Wagnersche Universitätsbuchhandlung -THALIA, Museumstraße 4,6020 Innsbruck

Bischof Reinhold Stecher Leben und Werk Von Martin Kolozs Styria Premium 2015. 208 Seiten, zahlr., tw. farb. Abb., geb., € 24,99

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