Der Wahlkampf für 2013 hat begonnen

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Die Grünen geben sich als kritische Opposition und als konstruktive Verhandler zugleich. Jetzt wird das der Öffentlichkeit erklärt. Das Gespräch führte Claus Reitan

Die Grünen sind, geht es nach ihrem Bundesgeschäftsführer Stefan Wallner, der "Schlüsselfaktor“ für neue Formen der Politik und neue Mehrheiten. Warum, erläutert er im Interview.

Die Furche: Der Wahlkampf hat begonnen, oder? Die ÖVP mobilisiert bereits gegen Rot-Grün?

Stefran Wallner: Das sieht nach Panik auf der Titanic aus. Leider ist die ÖVP in Stil und Inhalt kaum mehr von der FPÖ unterscheidbar. Für Österreich so bedeutende Hilfsorganisationen wie Caritas, Rotes Kreuz und Diakonie als "Asylindustrie“ zu denunzieren war bisher der Strache-FPÖ vorbehalten. Zum Glück gibt es aber auch noch vernünftige Leute mit einem anderen politischen Stil in der ÖVP, wie Josef Pühringer oder Reinhold Mitterlehner. Leider geben die rüpelhaften Polterer wie Rauch, Pröll und Fekter derzeit den Ton an. Schlechtes Benehmen gehört offenbar zum neuen Umgangston der ÖVP. Und FPÖ und BZÖ machen ohnehin nie etwas anderes als Wahlkampf. Sie haben sich aus allen ernsthaften politischen Verhandlungen herausgenommen. Noch nie war das so deutlich wie bei den Beratungen über den Europäischen Rettungsschirm ESM und bei jenen über das Transparenzpaket zu erkennen.

Die Furche: Und Sie entdecken demonstrativ Staatsverantwortung?

Wallner: Diese Verantwortung war immer vorhanden. Die Linie ist jetzt durch die Gleichzeitigkeit der Entscheidungen einerseits über das Transparenzpaket und andererseits über den Rettungsschirm nur deutlicher sichtbar geworden. Beides sind übrigens langfristige Projekte. Die Entschließungsanträge der Grünen zur Bekämpfung von Korruption und für mehr Transparenz sind mehr als zehn Jahre alt. Dafür haben wir ewig gekämpft. Erst jetzt, unter dem Druck des Untersuchungssausschusses ist es gelungen, ein europaweit herzeigbares Gesetz auf die Beine zu stellen.

Die Furche: Trotzdem: Die Grünen betreiben Skandalisierung, reichen andererseits der Koalition die Hand für Mehrheiten.

Wallner: Es gab und gibt immer beide Seiten. Wir sind kompromisslose Aufdecker, und wir sind konzeptiv tätig. Gegenwärtig haben wir eine schwache Bundesregierung, die nicht weiß, was sie will. Bei dem Gesetz gegen die Korruption haben nicht wir der Regierung eine Mehrheit gegeben, sondern es war umgekehrt. Das Gesetz ist ja nahezu ident mit dem Entschließungsantrag der Grünen. Ich habe die Verhandlungen auf Geschäftsführerebene mit den Regierungsparteien selbst vor zwei Jahren begonnen. Da haben wir über Parteienfinanzierung und deren Transparenz gesprochen. Das Konzept ist dann in den Laden von Karlheinz Kopf und Josef Cap liegen geblieben, bis der öffentliche Druck durch die schwarz-blauen Skandale zu groß geworden ist.

Die Furche: Sie nützen die Situation, um grüne Positionen in Gesetzen unterzubringen?

Wallner: Es gibt gegenwärtig ein Fenster dafür, weil sich die FPÖ und das BZÖ völlig abgemeldet haben. Sie haben den Plenarsaal verlassen, als es um die Mitwirkungsrechte des Parlaments an den Beschlüssen zum Rettungsschirm ging. Das ist ein Sinnbild dafür, dass sie kein Interesse daran haben, Politik tatsächlich mitzugestalten. Wir agieren differenziert. Das ist nicht immer einfach zu kommunizieren, aber in der Sache richtig. Und dafür sind wir gewählt. Wir sind für das Transparenzgesetz, aber gegen die Erhöhung der Parteienförderung. Wir sind für den Rettungsschirm ESM, aber gegen den Fiskalpakt, weil wir die Schuldenbremse für gefährlich halten. Sie droht Europa in eine Rezension zu führen.

Die Furche: Sie suchen Verbündete, um den Fiskalpakt vor den Verfassungsgerichtshof zu bringen?

Wallner: Wir haben ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben. Wir gehen davon aus, dass der Fiskalpakt verfassungswidrig ist, weil er die Budgethoheit des Parlaments untergräbt. Zudem verhindert er Investitionsprogramme, doch das wäre genau das, was erforderlich wäre, siehe etwa Griechenland.

Die Furche: Das ist eine Doppelstrategie. Mit Kritik fischen Sie nach Oppositionswählern, mit konstruktiver Rolle nach den mit der Regierung Unzufriedenen.

Wallner: Es gibt in der Politik zum Glück nicht nur Strategie, es gibt auch Überzeugungen. Bei all den genannten Themen sind wir Überzeugungstäter. Das gilt für Sauberkeit in der Politik, das gilt auch für die Frage nach der Zukunft Europas. Dieses Europa steht am Scheideweg. Die gegenwärtige Krise müssen wir nutzen, um Konstruktionsfehler der EU zu überwinden. Denn wir brauchen mehr Europa und nicht weniger Europa.

St. Wallner

Im Jahr 2009 wechselte Stefan Wallner, der Rechts- und Politikwissnschaft studierte, von der Caritas zu den Grünen, deren Bundesgeschäftsführer er seit November 2009 ist.

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