Der Wiederzusammenfüger

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Das Prozedere war eine Farce, das Ergebnis jedoch scheint mehr als zufriedenstellend: Ab September 2003 soll Hans Gratzer das ebenso traditionsreiche wie verschuldete Theater in der Josefstadt übernehmen. Nachdem Hermann Beil abgesagt hat, kommt nun voraussichtlich der soeben 60-Jährige zum Zug; beide hatten sich bei der vorangegangenen Ausschreibung nicht formell für den Posten beworben, lediglich ihr grundsätzliches Interesse deponiert.

Die einen nennen es "traditionsbewusst", die anderen "altmodisch": Das Theater in der Josefstadt ist jedenfalls das letzte traditionelle bildungsbürgerliche Theater mit ausgesprochen österreichischer Prägung. Und Gratzers ersten Äußerungen zufolge soll dieser Charakter noch stärker betont werden: Er will die Josefstadt als "das Herz des klassischen österreichischen Theaters, des traditionellen Wiener Volkstheaters, des Theaters der österreichischen Autoren" positionieren. Aus Raimund, Nestroy, Hofmannsthal, Schnitzler, Grillparzer, Horváth, Wildgans, Bahr, Schönherr, Anzengruber, Werfel und auch Bernhard soll das Repertoire bestehen, die Uraufführungen, die wichtigen Zeitstücke, die schnellen Sensationen werde man "getrost den anderen Theatern überlassen". Ein begrüßenswertes Konzept!

Dass Gratzer lange Zeit eine ausgesprochene Avantgarde-Bühne - das von ihm gegründete Wiener Schauspielhaus - leitete, sollte nicht irritieren. Im Gegenteil: Es zeigt, dass hier nicht ein verstockter Konservativer ans Werk geht, der einem 40 Jahre alten Ideal nachhängt, sich nie für etwas anderes interessiert hat und etwas einfach so weitermachen will, wie es angeblich immer schon war, sondern ein künstlerisch polyglotter Vollprofi, der bereit ist, sich auf die Bedürfnisse eines vorhandenen Publikums einzustellen: "Es ist meine Aufgabe für diese Klientel (das Josefstadt-Publikum, Anm.) Theater zu machen", bekannte er im "Standard". Gut so! Auch Bildungsbürger haben das Recht auf ihre bevorzugte Art von Theater.

Schon im letzten Jahr seiner Schauspielhaus-Direktionszeit stellte Gratzer statt "Kunst ist Notdurft" (vor leerem Haus) gediegenes Musiktheater (vor vollem Haus) auf die Beine. "Weiter zerschlagen, das kann es ja nicht sein", lautet sein Credo. Für einen Konservativen hält er sich dennoch nicht, denn heute sei es ja "geradezu revolutionär", traditionelles Theater zu machen. Nachsatz: "Das heißt ja nicht, Theater wie vor 40 Jahren."

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