Der Wurm im strebenden Bemühen

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Zwei Faust-Opern: Ferruccio Busonis "Doktor Faust" in Salzburg, Louis Spohrs "Faust" in Wien.

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Zwei Faust-Opern: Ferruccio Busonis "Doktor Faust" in Salzburg, Louis Spohrs "Faust" in Wien.

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Johann Wolfgang von Goethes 250. Geburtstag steht bevor - und gleich zwei Festivals warten mit Opern auf, in deren Mittelpunkt des am 28. August geborenen Dichters berühmteste Figur steht: "Faust" von Louis Spohr im Rahmen des Klangbogen Wien und "Doktor Faust" von Ferruccio Busoni bei den Salzburger Festspielen - beide Aufführungen wurden ein großer Publikumserfolg. Diese Werke sind zwar nicht so bekannt wie Charles Gounods "Faust" und Arrigo Boitos "Mefistofele", jedoch stellen sie Anfangs- und Endpunkt jener Ära dar, in der sich der Faust-Stoff einer intensiven, unter anderem musiktheatralischen Aufarbeitung erfreute. Spohrs "Faust", 1816 uraufgeführt, ist eine der ersten romantischen Opern. Busoni, der sich vom Spätromantiker zum Klassizisten wandelte, schrieb an seinem "Doktor Faust" bis zu seinem Tod im Jahr 1924; zwei Stellen blieben unvollendet.

Das Libretto zu Spohrs "Faust" beruht freilich nicht auf Goethe, sondern auf einem Faust-Roman von Friedrich Maximilian Klinger, der mit seinem Drama "Sturm und Drang" einem Kapitel der Literaturgeschichte den Namen gegeben hat. Bei Spohr liegt der Abschluß des Paktes schon lange zurück. Diesen Faust - im Theater an der Wien gesungen von Mel Ulrich - treibt kein Wissensdurst mehr, sondern nur noch seine Triebe. Sogar Mephistopheles (Gidon Saks) rügt den einseitigen Nutzen, den Faust aus dem Pakt gezogen hat, bevor er ihn - der ursprünglichen Faust-Geschichte entsprechend - in die Hölle mitnimmt. Gretchen heißt hier Röschen (Mary Mills) und aus der schönen Helena ist eine kokette Kunigunde geworden (Regina Schörg). Zeitgenossen verglichen diese Oper mit "Don Giovanni" von Mozart, der übrigens bei Spohr als kompositorisches Vorbild immer wieder durchklingt. Herrliche Hörner!

Bei Busoni wird das Publikum Zeuge des teuflischen Pakts, jedoch wird Faust (Thomas Hampson) von Mephistopheles (Chris Merritt) mehr oder weniger gezwungen, den Vertrag mit seinem Blut zu unterschreiben. Doch auch dieser Faust erhebt "Wein, Weib und Gesang" zur höchsten Philosophie: In ihrer Hochzeitsnacht entführt er die Herzogin von Parma (Katharina Dalayman) - eine Liaison, die zwar bald endet, aber aus der ein Kind hervorgeht. Ein Jahr später ist es mit seiner Macht vorüber: Seine Studenten wenden sich von ihm ab und Mephistopheles fordert Fausts Seele. Mit seiner letzte Tat erweckt er sein Kind wieder zum Leben, dessen Leichnam ihm die zur Bettlerin verkommene Herzogin übergeben hat.

Beim Wiener "Faust" agieren durchwegs sehr gute Sänger, vor allem Regina Schörg singt hinreißend. Auch das Radiosinfonieorchester Wien unter Ralf Weikert spielt tadellos, trotzdem springt kein zündender Funke über. Wahrscheinlich hat Nikolaus Harnoncourt recht, wenn er meint, daß in allen romantischen Opern der Wurm drin sei. Die Salzburger Festspiele bürgen für Qualität: Star des Abends ist natürlich Thomas Hampson, auch Kent Nagano, der die Wiener Philharmoniker dirigiert, erntet viel Applaus. Doch auch dieses zitatenreiche, manchmal hinter die Moderne zurückgehende Werk überzeugt nicht restlos. Daß bei Busoni der Wurm drinnen ist, hat allerdings noch niemand zu behaupten gewagt.

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