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Ibsens "Peer Gynt" als packendes Gastspiel des Berliner Ensembles im Rahmen der Festwochen.

Welch ein Schauspiel! Henrik Ibsens "Peer Gynt" - nicht zu Unrecht der "nordische Faust" genannt - kann auch im 21. Jahrhundert noch in Atem halten. Dabei ist die Inszenierung von Peter Zadek, mit der gerade das Berliner Ensemble in Wien gastierte, keineswegs perfekt.

Peer Gynt ist in der Diktion der von Peter Stein und Botho Strauß erarbeiteten Fassung ein "Solala", also beileibe kein Tugendbold, aber auch kein echter Unmensch, wiewohl er einiges auf dem Kerbholz hat. Als Lügenbaron, der alte Sagen mit seiner Phantasie anreichert und als eigene Erlebnisse ausgibt, wird er zum Außenseiter seiner Dorfgemeinde. Die Entführung einer Braut und reichen Erbin, die er nach einer Liebesnacht sitzen lässt, stempelt ihn zum Vogelfreien. Bei den primitiven Trollen zeugt er einen Sohn, ergreift aber die Flucht, als man ihm ans Augenlicht will, um ihm eine andere Sichtweise beizubringen.

Der Möchtegern-Kaiser

Die Liebe der jungen Solveig, die seine Hütte aufsucht, kann ihn nicht halten, der Tod seiner Mutter Aase bekräftigt seinen Entschluss, auf Reisen zu gehen. Im Streben nach Geld, Macht und Ruhm hetzt er durch die Fremde, agiert als Sklavenhändler und als falscher Prophet, doch der Möchtegern-Kaiser der ganzen Welt wird lediglich im Irrenhaus von Kairo zum Imperator ausgerufen.

Als Schiffbrüchiger kommt der alte Peer Gynt in seine Heimat und findet beim Schälen einer Zwiebel in seinem Leben viele Schalen, aber keinen echten Kern. Kann er dem Knopfgießer, der ihm erklärt, er müsse nun "umgeschmolzen" werden, da er nie er selbst gewesen sei, entgehen? Hat Peer den Unterschied zwischen "man selbst sein" und "sich selbst genug sein", wie er es von den Trollen gelernt hat, nicht begriffen? Die Heimkehr des verlorenen Sohnes endet nicht bei einem barmherzigen Vater, sondern bei Solveig, die immer auf ihn gewartet hat und ihm auf die Frage, wo der wahre Peer Gynt sein Leben lang gewesen sei, eine zweifellos christlich inspirierte Antwort gibt: "In meinem Glauben, in meiner Hoffnung und in meiner Liebe."

Glaube, Hoffnung, Liebe

Um die religiöse Dimension des Dramas kommt auch der im Programmheft als "antireligiös" apostrophierte Regisseur Peter Zadek nicht herum, und vielleicht wirkt seine Arbeit auch deshalb viel weniger schlüssig als bei anderen Werken. Während der Knopfgießer die Sparsamkeit des Meisters mit Rohstoffen betont - daher werden Knöpfe nicht weggeworfen, sondern umgeschmolzen -, erweist sich Zadek, wie schon bei anderen Inszenierungen, als Energieverschwender und lässt den Zuschauerraum ständig erleuchtet, was auch die Konzentration auf das Geschehen auf der vorwiegend leeren Bühne (Karl Kneidl) erschwert. Die grandiose Musik von Edvard Grieg erklingt nur kurz, Zadek fürchtete wohl, sie würde auf ein zu romantisches Gleis führen. Er selbst lenkt die Aufführung leider zwischen sehr dichten Szenen immer wieder auf ein eher kindisch-naives oder zu plakativ erotisches Gleis.

Engführung der Regie

Als Peer Gynt führt der sehr dynamische Uwe Bohm - besonders eindrucksvoll gerät die Szene, in der seine Mutter Aase (wie immer gut: Angela Winkler) stirbt - ein sehr bewegungsfreudiges Ensemble an, das sich in vielen Rollen, von den Trollen bis zu den Wellen des Meeres, austoben darf. Namen wie Annett Renneberg (Solveig), Deborah Kaufmann (Ingrid), Anouschka Renzi (Anitra), Veit Schubert (Priester, Magerer), Oliver Urbanski (Trollkönig, Hassan) und Gerd David (Krummer, Knopfgießer) sollte man sich auch in Österreich, soweit sie nicht schon bekannt sind, merken.

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