Des Glaubens liebstes Kind

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Mit Exponaten vom 4. Jahrhundert bis in die Gegenwart widmet sich die Kunsthalle Krems dem Thema "Wunder“, gespiegelt in den Bereichen Kunst, Wissenschaft und Religion. Eine Einladung zu einer so originellen wie eigenwilligen Spurensuche.

Marie von Ebner-Eschenbach konstatierte: "Es gibt keine Wunder für den, der sich nicht wundern kann.“ "Wunder ist ein Begriff, der die Grenzen sprengt“, liest man, diesen Gedanken quasi paraphrasierend, im Folder zur gleichnamigen Ausstellung in der Kunsthalle Krems, zustande gekommen in Kooperation mit der Siemens Stiftung und den Deichtorhallen Hamburg, wo sie in etwas erweiterter Form bereits zu sehen war.

Wundern durfte man sich bereits im Vorfeld der Ausstellungseröffnung. John Lennons Witwe Yoko Ono, zur Entgegennahme des Oskar-Kokoschka-Preises auf Besuch in Wien, war tatsächlich in die Kunsthalle Krems gekommen, um sieben Leinwände mit japanischen Schriftzeichen zu versehen. Für eine halbe Stunde war ihr Auftritt geplant, aber schon nach wenigen Minuten war das prägnante kalligrafische Werk vollendet. Sein nicht nur in dieser Umgebung vielsagender Titel: "We wish you seven fortunes & eight treasures“.

Vor allem mit der katholischen Kirche assoziiert man das Thema Wunder. Bilder vom Turmbau zu Babel, des ungläubigen Thomas, zahlreiche Votivbilder, Filmaufnahmen von Marienverehrungen oder der weinenden Madonna von Syrakus bestärken diese Sicht. Auch die Seligsprechungsakte der Anna Katharina Emmerick. Fast zweihundert Jahre dauerte es, ehe man ihre Stigmatisierung als Wunder anerkannte. Nicht alles, was auf den ersten Blick so wirkt, ist ein Wunder. Daher gehört es eben auch gründlich hinterfragt.

Barenboim, Harry Potter und Magnifizenz

Wunder, Zauberei, Scharlatanerie liegen oft so eng beisammen, dass Trennung kaum möglich ist. Das will man auch in Krems nicht. Also sieht man sich hier konfrontiert mit Geisterhänden, einer Fotografie von Nijinskys "Famous Last Jump“, einem Perpetuum Mobile, Daniel Barenboims Dirigentenstab, Harry Potters Zauberstäben, dem Szepter des Rektors der Wiener Universität, zwei angeblich ihre Energie nie verlierenden Wunderbatterien, Beuys‘ Eurasienstab, der die Kräfte Europas und Asiens bündeln sollte, oder Martin Kippenbergers und Albert Oehlens von Wilhelm Reich inspirierter Orgonkiste, dazu da, um missglückte Kunstwerke durch Energie zu verbessern.

Dass Schi-Matador Hermann Maier den schweren Sturz bei der Olympiade 1998 in Nagano überstand, schien vielen ein Wunder. Deswegen ist auch, und dies gleich im ersten der Ausstellungsräume - für die übersichtliche Aufstellung der Objekte zeichnet das Atelier Cristof Cremer verantwortlich - seine damalige Schiausrüstung ausgestellt. Ist es nicht auch ein Wunder, wenn Ausstellungsbesucher den Blick nicht auf herausragende Exponate werfen, sondern auf ein außerhalb des Ausstellungsraumes liegendes Ereignis, das dem Betrachter des Bildes bewusst verborgen bleibt, wie in Thomas Struths "Audience 04 Florence“? "Uri Geller verbiegt ganz Deutschland“ titelte im Jänner 1974 die Bild-Zeitung nach einem Fernsehauftritt des Schweizers. Was war es, dass sich Uhren und Bestecke in zahlreichen Haushalten der Fernseher verbogen? Wunder, Tricktäuschung?

Wunderglaube und Wissenschaft

Wie geht man mit dem Phänomen des Wunders außerhalb der christlich-abendländischen Kultur, in arabisch-muslimischen Traditionen um? Wie wichtig ist der Glaube an Wunder beim Experimentieren etwa für eine vermeintliche Geheimwaffe - wie die V2-Rakete? Welche Rolle spielen Wunder in Filmen? Auch dazu gibt es zahlreiche Antworten bei dieser Schau, die so etwas wie die Quadratur des Kreises zwischen einer Themen- und einer Kunstausstellung versucht.

So sehr die einzelnen Räume klaren Themen zugeordnet sind - wie "Das Wunder der Gemeinschaft“, "Das Wunder des Neuen“, "Der Beweis des Wunders“, "Wunder als mediales Ereignis“, "Magie und Animismus“, "Zaubern und Wundern“, "Das Bild des Wunderns und sein Verbot“ und "Das Wunder des Polytheismus“ - mindestens ebenso wird der Blick auf einzelne Exponate gelenkt. Das führt zuweilen von der spezifischen Themenstellung weg zur Konzentration auf den individuellen Gegenstand. Beim Betrachten des Zauberkastens von Goethes Enkeln kann dies nicht passieren. Ihn assoziiert man unwillkürlich mit dem "Faust“-Satz: "Das Wunder ist des Glaubens liebstes Kind“ - und ist schon wieder inmitten des angeschlagenen Themas.

Wunder - Kunst, Wissenschaft und Religion vom 4. Jahrhundert bis zur Gegenwart

Kunsthalle Krems, bis 1. Juli, täglich 10-17 Uhr

www.kunsthalle.at • Kataloge 24,80

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