Des Seemanns Landschaft

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"Klee, Tanguy, Miro - Drei Annäherungen an die Landschaft" im Wiener Palais Liechtenstein.

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"Klee, Tanguy, Miro - Drei Annäherungen an die Landschaft" im Wiener Palais Liechtenstein.

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Wien ist ja nicht gerade als Mekka wichtiger Werke bedeutender Künstler des 20. Jahrhunderts bekannt, meist muß man dafür ins Ausland fahren. Die Schweiz hat auf diesem Gebiet einiges zu bieten, verfügt sie doch über private und öffentliche Sammlungen mit Kunstwerken der Moderne, die auch gerne öffentlich zugänglich gemacht werden. Zur Zeit wird in Wien, im Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig im Palais Liechtenstein, eine Ausstellung mit Werken aus der Schweizer Sammlung des Japaners Kazumasa Katsuta gezeigt: "Klee, Tanguy, Miro - Drei Annäherungen an die Landschaft".

Der Titel der Ausstellung soll bewußt irritieren, ganz in der Art des Surrealismus, dem alle drei Maler zugehörig sind. Dieser hatte mit klassischen Landschaftsbildern, mit Abbildern der Natur, mit Genre, absolut nichts im Sinn. Landschaft wurde von den Surrealisten metaphorisch begriffen als "innere Landschaft". Und übte doch eine große Faszination auf deren Vertreter aus.

So findet sich beim Spanier Juan Miro sehr häufig die Frau als Archetypus, als Sinnbild für die menschliche Spezies, als pars pro toto für das Universum. Von Miro ist andererseits das einzige Landschaftsabbild der Schau, das noch anderen Kriterien verpflichtet ist. Er malte 1914 mit kräftigen Pinselstrichen die Berge seiner Heimat Montroig. Sie nehmen gut die Hälfte der Bildfläche ein. Davor drei Bäume und im knapp bemessenen Vordergrund ein Feld. Es bildet einen Kontrapunkt nicht nur zu den Bildern des Katalanen, sondern auch zu den anderen Werken.

Surrealismus, wie ihn Andre Breton, geistiger Führer und Koordinator der Bewegung, in seinem Manifest von 1924 verstand, ist eine Erweiterung des Realismus, eine Überwirklichkeit. Bereits die Romantiker hatten versucht, neue Erlebnistiefen auszuloten, Heinrich Heine prägte den Begriff Supernaturalismus. Bei den Surrealisten geht es um ein Auffinden, Auslösen und Bloßlegen der Wirklichkeit, um eine "Kontinuation der Natur ins Unbewußte, aus der visuellen in die psychische Wahrnehmung", wie Werner Hofmann meint. Das instinktiv "Natürliche" ist wichtig, in seinem Zustand vor dem Sündenfall, wo Zufall, Instinkt, Grausamkeit, Perversion, Traum und Wahnsinn Ausdruck des Ursprünglichen sind.

Der Franzose Yves Tanguy ist wohl der wahrhaftigste Surrealist, denn er war gelernter Seemann und kam zufällig zur Kunst. Von ihm sind einige Landschaften zu sehen, die ihrer typischen Merkmale beraubt sind. Es gibt keine Berge, Flüsse oder Wiesen, keine Büsche, Bäume oder Felsen. Sie erinnern eher an Giorgio de Chiricos einsame Plätze oder an diffus beleuchtete Theaterbühnen. Salvador Dali ließ sich stark von dieser Bilderwelt beeinflussen.

Paul Klee hatte 1933 begonnen Landschaften zu malen, in denen er verschiedene Reiseeindrücke verschmolz, zum Beispiel den Ätna und die Pyramiden von Gizeh. Klee zerschnitt diese Bilder in mehrere Teile und nahm die verbleibenden Formen als Ausgangspunkt für neue Kompositionen. Es wurden daraus Gesichter, die, verbunden mit den Beinen der Staffelei, Gestalt annahmen.

Diese Ausstellung ist eine gute Gelegenheit, den Gegensatz zwischen den barocken Räumen des Palais Liechtenstein und den Klassikern der Moderne noch einmal auf sich einwirken zu lassen, bevor das Museum moderner Kunst im Herbst in das Museumsquartier übersiedeln wird.

Bis 14. Mai

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