Deutschland: "Wir sind nicht Papst"

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An der deutschen Kirchenbasis herrscht Unverständnis und Empörung über den Landsmann an der Kirchenspitze. Die Wogen, die nach der Begnadigung der Traditionalistenbischöfe hochgingen, sind noch lange nicht geglättet.

Wer glaubt, in Deutschland, der Heimat Benedikts XVI., sei nach den Debatten um die vier Traditionalistenbischöfe Ruhe eingekehrt, der täuscht sich gewaltig. Die Stimmung von 2005, als die Bild-Zeitung noch "Wir sind Papst" titelte, ist endgültig verflogen. Ja, sie hat sich sogar ins Gegenteil verkehrt: Bild schreibt mittlerweile gar: "Wir sind nicht Papst."

Kein Zweifel: An den Katholisch-Theologischen Fakultäten, an den Akademien und in den Gemeinden brodelt es. Schon werden aus etlichen größeren Städten doppelt so viele Kirchenaustritte gemeldet wie vor einem Jahr. Vor allem die, die ihre kirchliche Sozialisierung durch das II. Vatikanum erfahren haben und daraus Motivation für ihr christliches Engagement ziehen, sind verunsichert und empört.

Petitionsunterschriften via Internet

Mehr als 20.000 Personen haben bereits die Petition www.petition-vaticanum2.org im Internet unterschrieben, die Anfang Februar als Reaktion auf die Rücknahme der Exkommunikation der vier Piusbrüder-Bischöfe eingerichtet worden war. Klaus Mertes, einflussreicher Jesuitenpater in Berlin, spricht wohl für viele, wenn er meint: "Die Entscheidung ist eine Gelegenheit, sich voll Dankbarkeit an das II. Vatikanische Konzil zu erinnern. Hier hat die Kirche sich vom Geist bewegen lassen." Zwar gebe es Stimmen in Deutschland, die das Konzil seit Jahren schlechtreden und behaupten wollten, nicht der Geist, sondern nur die Dokumente des Konzils seien maßgeblich. Dem widerspricht Mertes aber entschieden: "Nein, der Geist ist der Maßstab. Der Geist des Konzils war ein Geist der Öffnung, der Bereitschaft zum Umdenken, zum Lernen und Erneuern, missionarischer Geist, der Geist des Respekts vor Andersdenkenden, kurz: der Geist Jesu. Dieser Geist ist heute auch der Geist, der die Kirche zusammenhält und bewegt, und nicht der Geist rückwärtsgewandter Starrsinnigkeit, des Pochens auf Texte, Rubriken und Paragraphen."

Sogar die deutschen Bischöfe sparen nicht mit Kritik am Kirchenoberhaupt; die Wochenzeitung Die Zeit spricht gar von einer "Rebellion". Während die meisten allerdings den Akzent eher auf die Verfahrens- und Kommunikationspannen im Vatikan legen, hat der Rottenburg-Stuttgarter Hirte Gebhard Fürst das Vorgehen des Papstes so deutlich wie kein zweiter grundsätzlich kritisiert: Die Aufhebung der Exkommunikationen der vier Bischöfe habe bei vielen Verunsicherung, Unverständnis und Enttäuschung hervorgerufen, ja, zu "einer äußeren und inneren Entfremdung zahlreicher Gläubiger von der Kirche" geführt, bemängelt der Bischof, dem viel daran liegt, dass Theologie und Pastoral in seiner Diözese ohne Wenn und Aber dem II. Vatikanum verpflichtet bleiben.

Hochburgen des Protests gegen die Maßnahme Benedikts XVI. sind in Deutschland die Katholisch-Theologischen Fakultäten an den staatlichen Hochschulen. Den Vogel abgeschossen mit seiner Kritik hat dabei der emeritierte Tübinger Dogmatiker Peter Hünermann, der dem Papst in der Herder Korrespondenz "gravierenden Amtsmissbrauch" vorwarf. Inzwischen zog Hünermann seine Bewertung "Amtsmissbrauch" zurück, weil der Begriff "den Anschein erwecken könnte, der Papst habe böswillig gehandelt". Hünermann bleibt aber dabei, dass die Aufhebung der Exkommunikation für die Traditionalistenbischöfe ein "gravierender Fehler" des Ratzinger-Papstes sei.

Eskalation in Regensburg

Ihren vorläufigen Höhepunkt aber haben die Auseinandersetzungen in Regensburg erreicht. Dort forderte vor etwa zwei Wochen Bischof Gerhard Ludwig Müller drei Professoren der Universität ultimativ zu einer persönlichen Entschuldigung bei Benedikt XVI. auf. Grund: Kirchenrechtlerin Sabine Demel, Pastoraltheologe Heinz-Günther Schöttler und Religionspädagoge Burkhard Porzelt hatten die erwähnte Petition "Für die uneingeschränkte Anerkennung der Beschlüsse des II. Vatikanischen Konzils" unterstützt. Der Bischof, der für seine Alleingänge und Beratungsresistenz bekannt ist, fordert eine schriftliche Distanzierung von der Petition innerhalb von zwei Wochen (die Frist ist inzwischen abgelaufen) und verlangt von den dreien, vor ihm zu erscheinen und das Glaubensbekenntnis sowie einen Treueeid auf die Lehre der katholischen Kirche abzulegen. Sabine Demel hat dazu erklärt, die drei würden den Forderungen nicht nachkommen.

Was Müller nun tun wird, ist völlig offen. Nur eines steht fest: Sollte er den drei Professoren die Missio canonica entziehen, dann wird die Auseinandersetzung in Deutschland erst recht eskalieren.

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