Diagnose der großen Parteien

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Was wäre alles anders gekommen, wäre der Arbeiteraufstand im Februar 1934 gelungen? Und wie kann es zugehen, dass heutige Bewohner des Karl-Marx-Hofes glauben, beim Namenspatron handle es sich um den Architekten des Gemeindebaus?

Die Theaterregisseurin Eva Brenner setzt dem Texte und Lieder des viel zu wenig gespielten Jura Soyfer entgegen; ein wichtiges Verdienst Brenners, denn sogar heuer - immerhin jährte sich Soyfers Todestag im Februar zum 75. Mal - ignorierten die österreichischen Bühnen diesen so hellsichtigen Autor, der nach den Februarkämpfen 1934 seinen Roman "So starb eine Partei" verfasste. Im selben Jahr trat Soyfer der KPÖ bei, 1937 wurde er verhaftet und ins KZ Dachau deportiert, dann nach Buchenwald, wo er 1939 an den Folgen von Typhus starb. Vom Roman blieben nur Manuskriptfragmente erhalten und erst 1974 konnten Teile veröffentlicht werden, die Freunde und Kollegen Soyfers im Exil aufbewahrt hatten.

80 Jahre danach

Brenner hat nun aus der Prosavorlage die konzertante Performance "Die Fahnen wehten im feuchten Feberwind" eingerichtet. Mit internationaler Besetzung gelingt ihr ein kluger Abend. Videos zeigen die Akteure im Februar, 80 Jahre nach der Beschießung des Karl-Marx-Hofes, vor dem Gemeindebau. Der nigerianische Künstler Mussa Babapatl singt mit der Schauspielerin Sibylle Starkbaum, begleitet vom Gitarristen Walter Nikowitz; ein Arbeiterchor mit Laiendarstellern verweist auf historische Ereignisse.

Soyfers Roman ist eine Abrechnung mit der Sozialdemokratie, deren Politik in die Zerschlagung der Revolution von 1934 geführt hat. Aus wechselnden Perspektiven erzählt er von den Monaten unmittelbar vor dem Februar 1934. Soyfer diagnostiziert die Schwächen der Partei, die sich durch Passivität und ideologische Erstarrung selbst aushöhlte. Er schreibt das Dilemma an den Figuren fest, am Gewerkschafter Hans Dworak, der an seine Vorteile denkt, am saturierten Nationalrat Josef Dreher oder der überzeugten Sozialistin Käte Haider, deren Kritik ungehört bleibt. Als der Arbeiterchor "Hitler verrecke!" anstimmt, fragt sie sich als einzige: "Warum haben wir dieses scheußliche Wort von den Nazis übernommen? Wollten wir nicht mit geistigen Waffen kämpfen?" Brenner referiert auch auf das Theaterverständnis von Soyfer, der für das Kabarett schrieb und seine Stücke an der damals kritischsten politischen Kleinkunst-Bühne, dem "ABC", aufführte. Josef Meinrad spielte hier in Soyfer-Szenen, zusammen mit Leon Askin und Cissy Kraner.

Auch heute ist Soyfer nur an gesuchten Bühnen zu finden, zuletzt 2012 im Rabenhof. Seine Texte und die Kritik an den Großparteien haben bis heute nichts an Brisanz eingebüßt.

Die Fahnen wehten im feuchten Feberwind

Konzertante Performance nach Jura Soyfer

9.10., 24.10, 28.11., 30.11.

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