Dialekt und Dialektik

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Vor kurzem hat Martin Kusej als Regisseur von "Höllenangst" in Salzburg einen glänzenden Erfolg gelandet: mit Nestroy und für Nestroy. Die Wortspenden des Schauspielchefs zur Inszenierung waren bemerkenswert: Er wollte dem Stück die Begrenzung einer Lokalposse nehmen, es aus dem Korsett zeitgebundener Umstände lösen und von der Wiener Dialektfärbung säubern, die der Reichweite gültiger Botschaften abträglich wäre. Ein großes Wort, gelassen ausgesprochen und in der Redlichkeit des Gemeinten über jeden Zweifel erhaben.

Und doch regt sich Widerspruch, der in schlichter Alltagserfahrung und populärer Logik gründet. Denn fast jeder Schritt in eine neue Gewinnzone gibt andere Werte preis. Vorzüge werden demnach zumeist mit Defiziten erkauft.

Sicher ist Nestroy ein so bedeutender Dramatiker, zugleich Bühnenphilosoph und politischer Autor, dass ihn jede regionale Beschränkung einengt und verkleinert. Aber sein "Denken am Leitseil der Sprache" (Franz Mautner) verweist zugleich auf den authentischen Tonfall und unterstreicht seine idiomatische Verwurzelung. Dialekt und Dialektik ziehen am gleichen Strang und in dieselbe Richtung. Lässt sich denn ein Ausruf "Plausch nit, Peppi" oder die Drohung "G'freu'n S' Ihnen, jetzt werd'n Sie 's krieg'n!" tatsächlich ohne Einbuße in Bühnenhochdeutsch umsetzen?

Auch der Verzicht auf die Couplets in Kusejs Produktion ist problematisch. Keiner der eingeführten verfremdenden Songs erreicht etwa den originalen Refrain "Ich lass' mir mein' Aberglaub'n durch ka Aufklärung raub'n". Ich halte diese Kundgabe für gar nicht obsolet!

Und ist das gleichfalls gestrichene Quodlibet wirklich ein Anachronismus? Wird nicht vielmehr auch der Festspielglamour herrlich getroffen mit dem Satz: "Das Bildnis ist bezaubernd schön, wann die Portiers beim Tor in Gala stehn"?

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