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Neu ist ein Eigenschaftswort, das nicht bloß Zustände und Sachverhalte bezeichnet, sondern auch Hoffnungen und Erwartungen weckt. Den inhaltlichen Kern umgibt ein positiv besetzter semantischer Hof. Man wählt eine neue Regierung, freut sich auf den neuen Urlaubsort, vertraut einem neuen Freund oder Lebenspartner, wünscht einander alles Gute zum neuen Jahr - und ist im übrigen neugierig auf alle Neuigkeiten. Dabei ist dieses so frisch und jung wirkende Vokabel sprachgeschichtlich geradezu ein ehrwürdiges Fossil. Es zählt mit seinen Vorfahren zum Urgestein des indogermanischen Wortschatzes. Sein Verweis auf die jeweils aktuelle Gegenwart zeigt sich noch in Zeitangaben wie nun oder neulich.

Dennoch ist der Spitzenplatz von neu auf der Bewertungsskala nicht unangefochten. Je nach Maßstab, Perspektive und Gegenstand kann die Einschätzung jäh umschlagen: das Etikett des Neuen erweist sich dann geradezu als Stigma.

Bereits im Sprichwort "Neue Besen kehren gut" schwingt Ironie mit. Der politische Neuling (neudeutsch Quereinsteiger) wird bisweilen ebenso skeptisch betrachtet, wie weiland im antiken Rom ein homo novus von den gestandenen Patriziern. Der Neureiche ist dem Aristokraten ebenso suspekt wie dem Bildungsbürger. Das Neumodische muss sich erst gegen das Altbewährte durchsetzen. Und in der Kunst gilt Neugotik oder Neuromantik als rezente Kopie einstiger Stilideale deutlich weniger als das Original.

Dem Neuen ist auch ein Moment der Ungewissheit und der Geruch einer latenten Gefahr eigen. Selbst in der Literatur stellt die Novelle im Gegensatz zur schlichten Erzählung eine "unerhörte Begebenheit" dar, was sich, so boshafte Beobachter, sogar in einigen Gesetzesnovellen spiegelt.

Wer freilich gelassen über den Dingen steht, lässt sich von plakativen Novitäten kaum beeindrucken. Denn manche vermeintliche Neutönerei erweist sich bald als das alte Lied.

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