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Über die verschiedenen Ebenen des schwierigen Umgangs mit dem Islam.

Es ist nicht ganz klar, ob die von der Innenministerin losgetretene Aufregung in ihrem Sinne war oder nicht; ob Liese Prokop also politisch dumm oder fahrlässig gehandelt hat, als sie in einem Zeitungsinterview aus einer unveröffentlichten Studie undifferenziert das schlagzeilenträchtige Ergebnis zitierte, wonach 45 Prozent der Muslime in Österreich "integrationsunwillig" seien.

Sei's drum. Es hätte der Studie nicht bedurft, um zu wissen, dass die Integration muslimischer Zuwanderer zu den existenziellen Herausforderungen westlicher Gesellschaften zählt. Natürlich kann und soll man darüber diskutieren, was "Integration" eigentlich meint. Doch der Streit um Integration versus Assimilation ist letztlich einer um des Kaisers Bart: Jede Integration, die diesen Namen verdient, bedeutet eine Angleichung - nicht Gleichmacherei (lat. similis bedeutet "ähnlich", nicht "gleich") - der Lebensweisen, was denn auch sonst?

Wer immer sich zu diesem Thema äußert, bewegt sich auf dünnem Eis. Mit vorschnellen Aussagen, verkürzten Darstellungen - siehe Prokop - läuft man Gefahr, Öl ins Feuer zu gießen. Umgekehrt kann auch nicht jedes Benennen von Problemen unter Alarmismus-Verdacht gestellt werden. Wie überall gibt es auch hier für jedes Beispiel Gegenbeispiele: Berichten von gelungener (gelingender) Integration stehen etwa die sos-Rufe von Pädagogen gegenüber; Geschichten von Parallelgesellschaften werden gerne mit Hinweisen auf individuelle Fälle von Integrationsbereitschaft gekontert.

So hat etwa jüngst der Standard verdienstvollerweise seine Schüler-Seite diesem Thema gewidmet. "Ich bin ein Teil von Österreich" war der Haupbeitrag überschrieben - doch selbst bei jenen jungen Muslimen, die sich solcherart bekennen, ist eine Art kultureller Vorbehalt, etwa bezüglich Freund-und Partnerschaften mit Nicht-Muslimen, zu spüren. Gleichzeitig sprechen Soziologen von einem Trend zur (Re-)Islamisierung, besonders unter Jugendlichen der "dritten Generation", wie die Presse dieser Tage berichtete. Viele seien nirgends zu Hause - der Herkunftswelt längst entfremdet, aber in der neuen Heimat nie wirklich angekommen. Genau so entstehen die viel zitierten Parallelgesellschaften.

Dem könne kein noch so gut gemeinter Dialog der Religionen und Kulturen abhelfen, heißt es nun immer öfter. Führer von Religionsgemeinschaften, Staatsoberhäupter, Intellektuelle bewegten sich bei ihren groß inszenierten Begegnungen auf abstraktem, von der konkreten Lebensrealität absehendem Niveau. Stattdessen müsste der Austausch in den Lebenswelten der Menschen ("im Wirtshaus und im Pfarrcafé", H. Feichtlbauer, s. S. 6) gepflegt werden. Das ist alles richtig und wichtig. Und wenn die einen so tun, als wären die einschlägigen Probleme nur ein Versagen wein-und stelzenseliger Österreicher, und die anderen mit Überfremdungsängsten spielen - dann ist es notwendig, immer wieder auf die an sich banale Wahrheit hinzuweisen, dass Integration ein wechselseitiger (und mühevoller) Prozess ist.

Für den Dialog der Eliten bliebe freilich noch immer eine zentrale Frage zu klären, die letztlich die Wurzel des Themas berührt: die nach der prinzipiellen Anschlussfähigkeit islamischer Gesellschaften an die Moderne. Denn es besteht kein Zweifel, dass die islamisch geprägten Länder bei einem globalen Vergleich in demokratiepolitischer, menschenrechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht grosso modo schlechter als jene anderer Kulturkreise abschneiden. Und dass demnach auch die Menschen aus jenen Ländern sich tendenziell schwerer in westliche Gesellschaften integrieren (lassen).

Inwieweit das mit dem Islam als ein integrales - also alle Bereiche umfassendes - System zu tun hat, wäre eine spannende Frage für die besten Köpfe aller Seiten. Oder, umgekehrt gedacht: Lässt sich im Islam ein Ansatzpunkt wie in der jüdisch-christlichen Tradition finden, von dem aus es möglich wäre, "heilige Schriften" und "heilige Ordnungen" (Hierarchien), Gebote und Riten dem grellen Licht der Vernunft auszusetzen, historisch-kritisch zu prüfen und damit letztlich auch zu relativieren? Eine Antwort darauf steht noch aus.

rudolf.mitloehner@furche.at

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