Dialog mit Schwierigkeiten

Werbung
Werbung
Werbung

In Wien trafen sich - bei unterschiedlichen Konferenzen - Religionsvertreter, um über den interreligiösen und interkulturellen Dialog zu beraten. Dieser bleibt auf allen Ebenen ein mühseliger Prozess.

An der Türe zum Wiener Hilton-Hotel steht am 18. November um 9 Uhr morgens ein Polizist und beobachtet eine kleine Gruppe von Äthiopiern, die mit Fahnen und Sprechchören gegen die unmenschliche Behandlung ihrer Landsleute in Saudi-Arabien protestieren. "Dialog ist die einzige Mission des Abdullah-Zentrums“, erklärt drinnen im Hilton der Generalsekretär Faisal Bin Abdulrahman Bin Muammar vom KAICIID. Die sperrige Abkürzung steht für "König Abdullah Bin Abdulaziz Zentrum für Interreligiösen und Interkulturellen Dialog“, einer von Saudi-Arabien, Österreich und Spanien 2011 gegründeten Dialog-Institution, bei der der Vatikan als Beobachter fungiert.

Ausgesparte Konflikte

In der kleinen Morgen-Szene vor dem Hilton manifestiert sich, was interreligiösen und interkulturellen Dialog schwierig macht. Wer spricht hier mit wem? Die gut 500 internationalen Delegierten -Inderinnen, Chinesen, Rumänen, Singhalesen, Thailänderinnen, Bischöfinnen aus dem englischsprachigen Raum genauso wie Imame aus Afrika - bekamen den Auftritt vor dem Hotel vermutlich gar nicht mit. Am Podium erklärten Vertreter der großen Religionen, wie ihre jeweilige Tradition "das Bild des Anderen“ sieht und deutet. Da war Theologie in ihrer schönsten Form zu hören; doch wer genauer hinhorchte, konnte merken, dass Kontroversen, Konflikte und vor allem die Konkurrenz um die absolute Wahrheit ungenannt blieben. Diese Bruchstelle der Harmonie benannte Mustafa Ceri´c, bis vor kurzem Großmufti von Sarajewo, deutlich: viel schwieriger als die Differenzen zwischen den Religionen seien die Gemeinsamkeiten zu akzeptieren.

Eine Veranstaltung wie das "Global Forum“ des KAICIID ist eine Dialogveranstaltung im obersten Segment. Hier geht es um internationale Vernetzungen und Kontakte auf höchster Ebene. Es geht um die mediale Abbildung, für die sich religiöse Würdenträger in traditioneller Kleidung gemeinsam in ein buntes Foto bannen lassen. Es ist eine repräsentative Veranstaltung, die mit hohem Budget arbeitet. Etwa bekamen alle Teilnehmer für die Dauer der Tagung einen Mini-iPad, auf dem sich neben dem Tagungsprogramm auch eine App fand, um elektronisch Fragen an die Veranstalter zu richten. Frauen seien deutlich unterrepräsentiert, bemerkte eine asiatische Universitätsprofessorin lakonisch.

Viele der Teilnehmer waren in Doppelfunktion nach Wien gekommen. Denn anschließend an das Global Forum fand vom 20.-22.11. im Hilton die 9. Internationale Tagung der World Conference of Religions for Peace statt. "Religions for Peace“, entstanden 1961 mitten im Kalten Krieg und formell gegründet 1970, ist eine global agierende Organisation, die interreligiösen Dialog als Friedensarbeit versteht.

In Krisenregionen versucht "Religions for Peace“ in Zusammenarbeit mit lokalen Religionsvertretern Lösungen für Konflikte zu erarbeiten. In der "Wiener Erklärung“, die von den rund 600 Delegierten beschlossen wurde, wurde ein konkreter interreligiöser Dialog gefordert: Bürgerrechte, menschliche Würde, Wohlfahrt und Sicherheit sollen von Regierungen und Zivilgesellschaft garantiert werden, ebenso Religionsfreiheit und Überzeugungsfreiheit auch von Minderheiten. Da das "Abdullah-Zentrum“ Mitveranstalter der Konferenz war, ist die Erklärung bemerkenswert.

Viele der Teilnehmer der beiden Tagungen leiten NGOs für interreligiösen Dialog und Friedensarbeit in ihren Heimatländern. Sie sind diejenigen, die als "mittlere Ebene“ versuchen, lokale Führungsschichten für Dialog und Frieden zu gewinnen, lokalen Medien die Bedeutung des Dialogs klarzumachen und z. B. für Schulen entsprechende Unterlagen zu entwickeln.

Mittlere Ebenen des Dialogs

Die Themen dieser NGOs sind breitgespannt und reichen von ländlicher Entwicklung über Friedensgespräche in bewaffneten Konflikten bis zu interreligiösem Bibelstudium. Diese mittlere Ebene des Dialogs ist der Ort, an dem die großen theologischen Themen in mühevoller Kleinarbeit ausgehandelt werden. Auf der obersten Dialog-Ebene geht es ums Netzwerken und um Kontakte; auf dieser mittleren Ebene geht es um konkrete ethische und religiöse Fragen und Themen. Doch der Dialog ist fragil, und die Akteure des Dialogs nicht immer dialogbereit. Das wird im persönlichen Gespräch deutlich. So bezeichnete z. B. ein orthodoxer Geistlicher, ein Delegierter von Religions for Peace, den interreligiösen Dialog mit dem Islam als "trojanisches Pferd“, mit dem die Muslime Europa erobern würden.

Die Umsetzung des interreligiösen Dialogs geschieht auf allen Ebenen. Die unterste, die "Graswurzel-Ebene“, wird dabei leicht von höheren Dialog-Ebenen aus den Augen verloren. "Sie sollten das Geld, das sie für die Konferenz ausgegeben haben, lieber in lokale Gruppen stecken“, seufzten zwei Friedensaktivisten bei der KAICIID-Tagung. Da könnte man es gut brauchen. Gerade in Krisenregionen können interreligiöse Friedens-Seminare kaum kostendeckend stattfinden.

Auf der "Graswurzel-Ebene“ agiert EAPPI, das "Ökumenische Begleitprogramm in Israel und Palästina“ des Weltkirchenrates. Israelische und palästinensische Friedensaktivisten werden bei ihren gewaltlosen, aber nicht ungefährlichen Aktionen begleitet, um sie zu schützen. Bei einem EAPPI-Treffen, das am vergangenen Wochenende in Wien stattfand, ging es um die Situation der Palästinenser. Das Problem ist nicht die Religion, sondern die Verletzung der Menschenrechte, sagte der jüdische Theologe Mark Ellis. Die Tausenden Pilger, die nach Bethlehem in Bussen reisen, verklären den Ort religiös - und übersehen das konkrete Elend der Menschen unter israelischer Besetzung.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung