Dialogische vs. triumphierende Kirche

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Nicht nur durch die Politik, auch durch Polens katholische Kirche geht ein Riss. Der Tod des weltoffenen Erzbischofs Józef ˙Zyci´nski machte das erneut deutlich.

In Lublin waren am 19. Februar Zehntausende dem Sarg ihres Erzbischofs gefolgt. Das staatliche polnische Fernsehen übertrug Teile der Begräbnisfeier und der Rede des Staatspräsidenten Bronislaw Komorowski am Sarg von Erzbischof Józef ˙Zyci´nski. Zeitungen, Blogger, TV- und Rundfunksender beklagten den Verlust des Hierarchen, der "der polnischen Kirche ein neues, freundliches Antlitz“ geben und diese Kirche "dialogbereit, weltoffen und tolerant“ machen wollte. Nur das Medienimperium des Redemptoristen Tadeusz Rydzyk übte Zurückhaltung: Die Tageszeitung Nasz Dziennik brachte ein dürres Kommuniqué über den plötzlichen Tod des Erzbischofs in Rom. Der einzige persönliche Nachsatz lautete: "Wir schließen ihn in unsere Gebete ein“. Radio Maryja und TV Trwam wiederholten denselben Text in ihren Nachrichten.

Zeichentrick statt Begräbnis

"Welche Verdienste um Polens katholische Kirche muss man haben, um einer Begräbnisübertragung auf TV Trwam würdig zu sein?“ schrieb eine Bloggerin und andere Blogger berichteten, zur Zeit des Begräbnisses hätten TV Trwam Zeichentrickfilme und Radio Maryja Volksmusik ausgestrahlt.

Womit hat sich der intellektuelle, humorvolle und menschennahe Erzbischof ˙Zyci´nski den Groll des Redemptoristen-Medienreiches über den Tod hinaus verdient? Als Vertreter des liberalen Flügels der Bischofskonferenz trat der Lubliner Erzbischof gegen den Pomp und die Einmischung in die Politik der polnischen "Ecclesia triumphans“ auf. Er suchte den Dialog mit Andersdenkenden, widersprach Antisemitismus und Fremdenhass auf und setzte auf aufgeklärte Gläubige. Darin unterschieden sich Erzbischof ˙Zyci´nskis Ansichten diametral von der Linie den nach Eigendefinition "religiös-nationalen“ Medienerzeugnissen des Lux Veritatis-Konzernes von Pater Rydzyk. Der verstorbene Erzbischof wurde zuletzt sowohl in verklausulierten als auch offenen Unterstellungen der Rydzyk-Medien beschuldigt, Sponsor des im Herbst 2010 verfassten und jüngst veröffentlichten Brief des in Polen legendären Dominikaners und Jugenderziehers Ludwik Wi´sniewski an Nuntius Celestino Migliore zu sein.

Mit dem verzweifelten Ruf an den Vatikan-Vertreter in Polen setzte der 1936 geborene Geistliche einen sprichwörtlichen Stock in den Ameisenhaufen. Er schreibt von einer "anstößigen Spaltung in der polnischen Bischofskonferenz“, die in der Unterstützung von "Initiativen und Werken, die sich formal als katholisch ausgeben, aber in Wirklichkeit heidnisch sind, weil sie die Gesellschaft und Kirche vergiften und spalten“, bestehe.

Die Reaktion ließ nicht lange auf sich warten. Der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Erzbischof Józef Michalik von Przemy´sl replizierte ausgerechnet in der Rydzyk-Zeitung Nasz dziennik: "Der Schlüssel zur Schwächung und anschließenden Eliminierung der Kirche aus dem öffentlichen Leben ist ein Versuch der Spaltung oder das Einreden, dass die Kirche gespalten sei. Diesen Eindruck gewinnt man durch das stetige Aufzeigen von Nebensächlichkeiten.“

Die Verhältnisse in Bischofskonferenz und Ortskirche unverblümt darstellend schreibt Wi´sniewski, dass zumindest die Hälfte des polnischen Klerus fremdenfeindlich sowie unfähig sei, das Evangelium zeitgemäß zu verkündigen.

Der verstorbene Erzbischof ˙Zyci´nski hatte eine Kopie des Schreibens erhalten und meinte, der Brief enthalte viele Fragen, "die von uns gemeinsam diskutiert werden sollten“. Bischof Tadeusz Pieronek, langjähriger Generalsekretär der Bischofskonferenz, meinte zum Brief: "Seit Langem weiß ich, dass unsere Geistlichen ein Abbild der Gesellschaft sind. Es sollte zwar anders sein, aber es ist so, wie es ist. Gut, dass so ein Brief entstanden ist, dass jemand den Mut hatte, ihn zu schreiben. Der Nuntius soll die Lage der polnischen Kirche kennen und zwar aus mehreren Blickwinkeln.“

"Große Debatte“ angeregt

Wi´sniewski regte in seinem nicht für die Öffentlichkeit bestimmten Schreiben an den Nuntius "eine große Debatte“ um die und in der polnischen Kirche an und bat um Unterstützung dafür. Diese solle eine Reihe von Arbeitsgruppengeführt werden, die sich u. a. den Themen Plus und Minus der polnischen EU-Mitgliedschaft, Beurteilung der polnischen Transition vom Kommunismus zur Demokratie, Religionsunterricht, Kirche und Staat sowie derBeurteilung der Tätigkeit von Radio Maryja, TV Trwam, Nasz Dziennik und anderer katholischen Medien widmen.

Seine Kritik an der Initiative des Dominikaners fasste der Chef der Bischofskonferenz Michalik, jedoch so zusammen: "Es ist unwahr, dass die Kirche in Polen kein Antlitz hätte. Die Kirche in Polen hat das Gesicht Christi!“ Die Erklärung dieser theologisch gewagten Feststellung blieb er den polnischen Katholiken allerdings schuldig.

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