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Der "kleine Totentanz in fünf Bildern", wie Horváth sein todtrauriges Stück vom Fräulein Elisabeth, das nach "Glaube Liebe Hoffnung" schließlich das Leben verliert, überschrieben hat, wird in der Inszenierung von Michael Thalheimer am Wiener Burgtheater durch ein formal bestechendes Konzept zu sehenswertem Theater.

Die vollkommen leere Bühne von Olaf Altmann ist ganz in Schwarz getaucht. Eine weibliche Stimme fragt zwecks des Verkaufs der Leiche, die sie mal sein wird, nach dem anatomischen Institut. Aber da ist "nirgends eine Seele zu sehen", wie es bei Horváth heißt, und so wird es auch bleiben.

Wenn das Licht angeht, ist zu erkennen, wie die Bühne von oben zu gut zwei Dritteln durch eine mächtige schwarze Trichterform abgehängt ist. So wirkt der Spielort wie das Untere eines gewaltigen Mahlwerks oder der Ausfluss eines Spülbeckens. Ein sprechender Ort. Ungewöhnlich weit nach hinten gesetzt, scheint durch seine kreisrunde Öffnung die einzige Lichtquelle, die den Bühnenraum scharf in Hell und Dunkel scheidet.

Zermahlen und ausgespuckt

Im Lichtkegel, dem der Gestus des Zeigens anhaftet, steht Elisabeth, verkörpert durch die großartige Andrea Wenzl. Sie ist die einzig menschliche Figur, die sich durch die Spielweise von den übrigen Kleinbürgern unterscheidet, für die Thalheimer expressionistisch anmutende Posen und Gesten vorsieht. Hin und wieder hüpft sie im Lichtkegel mit wild in die Höhe ausgestreckten Armen, als wollte sie nach oben ins Licht, mit herzzerreißender Vergeblichkeit. Aber sie ist unten, sie ist "abgebaut" worden.

Noch lässt sie den Kopf nicht hängen, wie sie kämpferisch sagt, und versucht sich als Korsagenverkäuferin. Die hundertfünfzig Mark für den Gewerbeschein hat sie vom Präparator ausgeliehen, der aber weniger ein "herzensguter" Mensch ist, als an ihrem lebendigen Fleisch interessiert. Als er sich betrogen sieht, zeigt er die vermeintliche Inspektorentochter an. Wegen der Vorstrafe zerbricht auch ihre Verbindung zum "schneidigen Schuppo" Alfons, der in Wahrheit ein rückgratloser Feigling ist. Schließlich geht sie ins Wasser und stirbt ganz vorn an der Rampe, unter den Augen der hartherzigen unsolidarischen Gesellschaft, die sich hinten unter den Lichtkegel drängt, einen "sanften" Tod, wie Horváth schreibt. "Sie hat es überstanden", sagt einer. Wohl ahnend, dass einer von ihnen der Nächste sein wird. Denn auch sie gehören zum Prekariat, zu den Abgehängten der Gesellschaft, die von oben nichts zu erwarten haben und denen nur das Treten nach unten bleibt. Sie können Leben nur mehr als Überleben begreifen, als Kampf jeder gegen jeden, bis schließlich auch sie von den kapitalistischen Verhältnissen zermahlen werden, ausgespuckt, den Gully runtergespült.

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