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Was von Blair, Schröder, Klima geblieben ist.

Es fügte sich, dass just in einer besonders lichtvollen Phase der europäischen Sozialdemokratie ein österreichisches Magazin gegründet, oder sagen wir besser: auf den Markt gehypet wurde. Dieses Magazin - als Cuvée von Spiegel, Economist, Time, dabei natürlich allen dreien qualitativ haushoch überlegen, angekündigt - hatte damit eine perfekt hochglänzende Coverstory für seine erste Ausgabe: "Die neuen Roten", zu sehen die scharfen Profile von Schröder, Blair und Klima, eng nebeneinander montiert.

Damals, Anfang Oktober 1998, schien noch - oder wieder - alles gut: Gerhard Schröder hatte eben Helmut Kohl im Kanzleramt abgelöst und wollte nicht alles anders, aber vieles besser machen; Viktor Klima war vor knapp zwei Jahren erst Franz Vranitzky nachgefolgt und hielt gemeinsam mit seiner Partei, allen drohenden Zeichen an der Wand zum Trotz, die Kanzlerschaft für eine sozialdemokratische Erbpacht; und über allen leuchtete der Stern des Tony Blair, Hausherr in Downing Street 10 seit 1997, nach 18 Jahren Tory-Regentschaft. "New Labour" - das klang, über Großbritannien hinaus, wie ein Versprechen: dass sich die große Erzählung des demokratischen Sozialismus unter den Bedingungen entfesselter Ökonomie und Technologie würde fortschreiben lassen. Die "neuen Roten", so die Hoffnung, würden das Erbe der "alten" - Brandt, Palme, Kreisky - bewahren und, zeitgemäß adaptiert, als politisches Erfolgsmodell weitertragen.

Nicht einmal acht Jahre später mutet das Format-Cover wie ein Gruß aus einer anderen Welt an: Viktor Klima ist in der Versenkung verschwunden, aus der ihn auch das Society-Ressort von News kaum noch herausholt; Gerhard Schröder predigt für viel Geld, dass der Wein, den er trinkt, eigentlich Wasser sei; und Blair - immerhin als einziger noch an der Macht - hat fast alles an Ausstrahlungskraft seiner früheren Jahre eingebüßt, die Kommunalwahlen der letzten Woche waren nur sinnfälliger Ausdruck eines schon lange währenden politischen Abstiegs.

Geblieben ist eine tiefe Ratlosigkeit. Eine Ratlosigkeit, die sich etwa bei den deutschen Sozialdemokraten in der jüngsten Zeit im rasanten Verschleiß an Parteivorsitzenden widerspiegelt; eine Ratlosigkeit, die im Zuge der bawag/ögb-Affäre jetzt auch in Österreich in ihrer vollen Tragweite sichtbar geworden ist - die rote Causa prima ist Symptom, nicht Ursache der Krise. Dass deren Wurzeln weit in die Neunzigerjahre zurückreichen, ist nur ein Indiz dafür, dass entgegen dem Anschein - "neue Rote" - die ideologischen Gewissheiten schon damals gewaltig bröckelten, wie ja auch etwa zwischen Blair und Klima oder (mit Abstufungen) Schröder erhebliche Differenzen bestanden.

Haben die Konservativen denn eine Antwort auf die gegenwärtigen Herausforderungen? Nein, aber es geht ihnen trotzdem besser. Sie verstehen sich weniger als geschlossene "Bewegungen" - und kommen daher mit dem Ende der "großen Erzählungen" leichter zurecht. Auch ein Tony Blair, politisch sicher nicht "links" im klassischen Sinn, hatte ja noch etwas Missionarisch-Utopisches, stand so gesehen ganz auf dem Boden seiner Tradition. Aber die Menschen haben nicht nur den Glauben an altsozialistische Dogmen verloren, sie sind auch der Heilsversprechungen einer Marktwirtschaft pur überdrüssig.

Es ist daher am ehesten die Stunde der kühlen Pragmatiker - jener, die erst gar nicht vorgeben, große Antworten parat zu haben, sondern Schritt um Schritt setzen, da und dort Anleihen nehmen, nach Best-Practice-Modellen suchen. Das entspricht wie gesagt eher dem Selbstverständnis bürgerlich-konservativer Parteien, aber dort, wo Sozialdemokraten heute am erfolgreichsten sind - in Skandinavien -, handeln sie nach den selben Prinzipien.

"Gewissheiten" freilich gibt es keine mehr - und sie werden auch nicht wiederkehren. Politik wird dadurch, so kann man annehmen, zunehmend unspektakulär, mag man das bedauern oder begrüßen. Die positive Seite der Medaille lautet: Authentizität, Glaubwürdigkeit der handelnden Personen wird immer wichtiger; die negative: Die Versuchung zur politischen Inszenierung steigt ins Unermessliche.

rudolf.mitloehner@furche.at

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