Religionen und Atomenergie
Eigentlich wollte ich über die Christdemokratie schreiben, über ihre vergangenen Verdienste und ihren gegenwärtigen, wenig inspirierenden Zustand. Aber dann kam der Tsunami über Japan und im gewissen Sinn über uns alle.
Während ich dies hier formuliere, steht es auf des Messers Schneide, ob nach der Natur- noch eine Atomkatastrophe kommt. Was haben wir Religionen dazu zu sagen?
Ein von mir ansonsten sehr geschätzter Priester predigte von der Hybris des Menschen, die hier wieder einmal ihre fatalen Folgen zeige. Wahrscheinlich stimmt das ja sogar, aber ich konnte diese kirchliche Selbstgerechtigkeit nur schwer hören. Zumindest kann ich mich nicht erinnern, dass die katholische Kirche jemals entschieden gegen diese Hybris ihr Wort erhoben hätte. In Deutschland waren gerade die C-Parteien bis vor Kurzem entschiedene Vorkämpfer der "friedlichen Nutzung der Atomenergie“.
Schwer auszuhalten sind für mich aber auch jene Techniker und Politiker, die jetzt wahrscheinlich sogar ehrlich kundtun: "Wir konnten uns das einfach nicht vorstellen“ und meinen, damit entschuldigt zu sein. Als ob das menschlich Vorstellbare je der Horizont des überhaupt Möglichen gewesen ist.Auch dass man in eine Technik hineinging, deren Abfall praktisch für immer aus der Biosphäre ferngehalten werden muss, ohne zu wissen, wie das geschehen kann, ist überaus seltsam. Merkwürdig, wie wenig das Wissen der weisheitlichen Traditionen jenseits des Schöngeistigen offenbar zählt.
Und gerade deshalb frage ich mich: Und wir, die verfassten Religionen? Wieder einmal auf der richtigen Seite? Erst mitgemacht und dann nicht dabei gewesen? So lange gegen jede moderne Technik gewesen, dass wir ihre Macht schließlich anbeteten? Und jetzt, wo es schief geht: Haben wir wirklich etwas Eigenes zu sagen?
* Der Autor ist katholischer Pastoraltheologe an der Uni Graz
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