Die anonymen Datenjunkies: "Wir sind das Internet"

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Mit den Attacken auf MasterCard, Visa und Paypal kam eine Online-Bewegung ans Licht, die sich"Anonymous" nennt.

"Wir erklären dem Winter den Krieg!" Zu dem im Internet verübten Anschlag auf die kalte Jahreszeit bekannte sich die Gruppe Anonymous. Ihre Aktion bestand darin, Internetseiten von Wetterdiensten und Textilherstellern lahmzulegen, warme Kleidung zu boykottieren und für die Sonne als "Person des Jahres" zu stimmen.

Der Erfolg war gering, im Gegenteil zur "Operation Payback": Als Rache gegen Firmen, die WikiLeaks die Geschäftsbeziehung entzogen, wurden die Websites von Visa, MasterCard und Paypal bis zu deren Zusammenbruch attackiert.

Anonymous hat keine Hierarchien, Anführer oder Mitglieder. Je nach Aktion schließen sich Unterstützer zusammen und agieren so lange, wie es ihnen Freude macht. "Es ist eine Maske, die jedem zur Verfügung steht, der sie nützen will", erklärt Jana Herwig, Medienwissenschafterin an der Universität Wien. Der Unterschied zu anderen Protestbewegungen liegt im Spaßfaktor: "Am besten ist eine Aktion, wenn sie eine Agenda mit Spaß verbindet."

Ausgangspunkt ist die Internetseite 4chan.org. Zu Beginn ging es hauptsächlich um Spaß: Versteckte Links, die zu demselben Musikvideo führen, oder Katzenbilder, die man für lustig halten kann. Politisch aktiv wurde 4chan, als ein internes Video von Scientology im Netz auftauchte. Darin sprach Tom Cruise über Machtfantasien der Religionsgemeinschaft. Scientology forderte juristische Schritte gegen jene, die das Video online gestellt haben, bekam aber die Wucht der Bewegung zu spüren. Seitdem setzte Anonymous Aktionen gegen Tierquäler oder US-Politiker.

Versand mit der Ionenkanone

Die Macht von Anonymous liegt in der dezentralen Organisation und der Freiheit des Internets. Aktionen entstehen aus dem Nichts, verschwinden kurz darauf wieder. Die Angriffe auf Visa, MasterCard und Paypal waren einfach, so Chris Jeitler vom Datenschutzverein Quintessenz: Eine Website wird per DoS-Agriff (Denial of Service; FURCHE-Nr. 50/2010) mit Anfragen bombardiert, bis die Server zusammenbrechen. Jeitler: "Wenn 1000 Leute auf einmal in einen Supermarkt gehen, ohne etwas zu kaufen, funktioniert der auch nicht mehr."

Technische Kenntnisse sind für die Attacken per Web nicht nötig: Die sogenannte "Ionenkanone" ist ein freies Computerprogramm, das per Mausklick tausende Anfragen an eine Internetseite schickt.

Wirklich gefährlich war die eingangs geschilderte Aktion aber nicht: "Es ging nicht darum, Kontodaten der Kunden zu bekommen, sondern ein Zeichen zu setzen", meint Jeitler.

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