Die Aufsichtsräte von einst

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Das Kunsthistorisches Museum in Wien zeigt in der Ausstellung #Goldenes Zeitalter# Bilder, die doppelt einzigartig sind: ob ihres Genres und ob ihres gesellschaftspolitischen Hintergrunds, der in den Vereinigten Niederlanden zu Beginn des 17. Jahrhunderts zu suchen ist.

Es sind politische Gemälde sondergleichen, die derzeit die Wände eines Raumes des Kunsthistorischen Museums schmücken, auch wenn man es auf den ersten Blick nicht vermuten würde. Die elf Gruppenporträts stolzer Bürger, Leihgaben aus dem Amsterdams Historisch Museum, sind nicht nur einzigartige Beispiele einer ausschließlich in den Niederlanden entwickelten Kunstrichtung, sie stellen auch gesellschaftspolitische Phänomene dar, die es zu Beginn des 17. Jahrhundert nur in Holland gab und die weit in die Zukunft vorausschauen ließen. In der aufgeklärten, liberalen Republik der Vereinigten Niederlande, die vom wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Aufschwung geprägt war, wurde es nach der Befreiung von der Vorherrschaft der spanischen Habsburger üblich, dass Bürger Funktionen im Dienste der Gesellschaft übernahmen. Während im Großteil der europäischen Länder Absolutismus vorherrschte, bekamen die niederländischen Bürger die Chance, Entscheidungen im Kollektiv zu treffen.

#Ausdruck des Selbstverständnisses#

Die Gruppenporträts, die zu dieser Zeit entstanden und deren bekanntestes, allerdings nicht in der KHM-Ausstellung zu sehendes Beispiel Rembrandts #Nachtwache# ist, zeugen vom Selbstbewusstsein einer in vielen Belangen demokratisch organisierten Gesellschaft. #Die Gruppenporträts sind ein Ausdruck des Selbstverständnisses der städtischen Kultur und des Republikanischen#, sagt Kurator Karl Schütz. Die Ehre, die die Bürger empfanden, hatte auch kunsthistorische Bedeutung, wie W. Paul Spies, Direktor des Amsterdams Historisch Museum, im Katalog schreibt: #Der angemessene Stolz, der mit diesem Engagement einherging, führte zu den Aufträgen für repräsentative Gruppenporträts # ein Phänomen, das erheblich zum blühenden Markt für Kunstaufträge in Amsterdam des 17. Jahrhunderts beigetragen hat.#

Es waren Mitglieder der Bürgerwehren, Regenten # also Vorsteher der zahlreichen Waisen-, Zucht- und Spinnhäuser Amsterdams # sowie Obleute von Handwerkszünften, die solche Porträts in Auftrag gaben. Die Schwierigkeit, vor die sich die Maler dabei gestellt sahen, war, die Gruppenporträts nicht allzu statisch wirken zu lassen, die Individualität der Porträtierten herauszustreichen und sie gleichzeitig als Einheit zu präsentieren. Stellte man den Hauptmann und seine Schützen also anfangs noch aufgereiht dar, entstanden bald Bilder von Bürgerwehren, die diese beim Essen zeigen. Wie mitten in der Bewegung innehaltend malten die Künstler sie und schufen so Lebendigkeit. Vorstände der Hakenbüchsenschützengilde dürfen in Bartholomeus van der Helsts Bild gar Austern schlürfen, Nicolaes Eliasz Pickenoys Schützen halten mitten im Hähnchen-Schneiden inne.

Van der Helsts #Zwei Regenten und Regentinnen des Spinnhauses# zeigen die Vorstände der karitativen Einrichtung bei einer Diskussion, im Hintergrund wird die Atmosphäre des Irrenhauses eingefangen.

Neben den elf Gemälden aus Amsterdam ist auch ein viel älteres Vorbild der Gruppenporträts aus dem Besitz des Kunsthistorischen Museums Wien zu sehen, es handelt sich um eine Darstellung der Mitglieder des Haarlemer Johanniterkonvents von Geertgen tot Sint Jans in #Schicksal der irdischen Überreste Johannis des Täufers#.

Doppelte Verbindung zu heute #

Die Ausstellung im KHM weist eine doppelte Verbindung zu heute auf. Einerseits zieht Kurator Schütz klare Vergleiche: #In den Bildern wird vorgelebt, was uns heute vertraut ist # Aufsichtsräte, Kollegien, die Entscheidungen treffen, und dergleichen. Der besondere Reiz liegt in dieser Verbindung zur Gegenwart.#

Andererseits wurde anhand einer Kunstaktion der Performancekünstlerin Irene Andessner ein weiterer Bezug zu heute hergestellt: Andessner stellte Regentenbilder mit Haag, Schütz und anderen nach, die Fotografien dienen als zeitgenössische Brücke in die Schau.

Das goldene Zeitalter

KHM, Burgring 5, 1010 Wien

Di-So 10-18 Uhr, Do bis 21 Uhr, bis 21. November

www.khm.at

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