Rückkehr der Piusbrüder?
R ainer Bucher fragte vorige Woche an dieser Stelle: Was würde für Sie die Rückkehr der Pius-Bruderschaft in die katholische Kirche bedeuten? Als ich Buchers Beschreibung der Vorstellungen der Pius-Bruderschaft gelesen habe, habe ich mich gefragt, worin sich diese von den Salafisten unterscheiden, außer in den Überschriften: Christ statt Muslim und Kirche statt Umma?
Salafisten sind auch gegen Religionsfreiheit, sie sehen nur im Islam einen Heilsweg, sie sind gegen die Gleichberechtigung der Geschlechter, auch gegen Demokratie und rechtsstaatliche Prinzipien, sie suchen sich willkürlich Zitate aus dem Koran, die gerade in ihre Argumentation passen. Jede Form der historischen Kontextualisierung des koranischen Textes wird abgelehnt. Gott ist nach ihrem Verständnis sehr repressiv. Er offenbart den Menschen überzeitliche Gesetze, durch deren Befolgung er verherrlicht werden will.
Ob Pius-Bruderschaft oder Salafisten, dahinter steht ein Streben nach der Vereinnahmung Gottes und nach einer Abschaffung jeder Form von religiöser Pluralität in der Gesellschaft. So eine Gesellschaft haben die Afghanen unter dem Taliban-Regime erleben dürfen. Eine Gesellschaft, in der weder für die Menschenwürde noch für die Freiheit des Menschen Platz war, Männer wurden gepeitscht, wenn sie ihre Bärte abrasierten und Frauen ins Gefängnis gesteckt, wenn sie kein Kopftuch trugen. Eine Gesellschaft, die sich gefragt hat: "Was will Gott für sich?“ anstatt "Was will Gott für uns Menschen?“ In so einer Gesellschaft hat der freie, mündige Mensch keinen Platz. Denn der weigert sich, sich unhinterfragt zu unterwerfen. Es herrscht eine geistige Diktatur. Der Plan Gottes, den Menschen mit Mitteln der Liebe zu sich zu rufen, scheitert in so einer Gesellschaft. Somit hat auch Gott keinen Platz in so einer Gesellschaft.
* Der Autor leitet an der Uni Münster d. Zentrum f. Islam. Theologie
