Die Bibel als Motor der Kultur

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Das Wiener Schottenstift zeigt nicht nur biblische Prachtausgaben aus der eigenen Bibliothek, sondern vermittelt in seiner Ausstellung spezifische Zusammenhänge zwischen Bibel, Kunst und Kultur.

Ausstellungen drohen zum Massenbetrieb zu werden, besonders wenn sie erfolgreich sind. Gegen die großen Publikumsmagneten haben kleinere Ausstellungen vor allem dann eine Chance als Kontrastprogramm, wenn sie einem spezifischen Publikum die Möglichkeit zu ruhigem selbständigen Studium der Objekte bieten können.

Eine Ausstellung dieser Art widmet das Wiener Schottenstift den vielfältigen Berührungspunkten von Bibel und Kunst. Das Kloster, 1155 von Kaiser Heinrich II. Jasomirgott gegründet, hat dazu viel beizutragen und kann die Ausstellung fast ganz aus dem eigenen Fundus bestreiten. Man sieht also, was man nur hier zu sehen bekommt.

Dialog mit dem Judentum

Die erste Ausstellungseinheit ist dem Alten Testament und dem Judentum gewidmet. Biblische Gestalten seit Abraham sind auf Gemälden etwa aus der Rubens-Werkstätte oder von Franz Maulbertsch zu sehen. Besonderen Eindruck hinterlassen auch die beiden jüdischen Schriftgelehreten von Jacob Toorenvliet. Sie stehen in innerem Zusammenhang zu vielen jüdischen Handschriften und Drucken, darunter drei erst vor kurzem aufgefundene Reste mittelalterlicher Pergamenthandschriften.

Zu bewundern sind auch Antwerpener Tapisserien aus dem 17. Jahrhundert mit biblischen Szenen oder barocke Messgewänder mit biblischen Motiven, wie etwa der Dreikönigs-Ornat. Und dazwischen in den Vitrinen: kostbare Bibelausgaben , darunter Polyglotten (hebräischer bzw. griechischer Urtext mit alten Übersetzungen) und Lehrwerke des Hebräischen und bibelwissenschaftliche Fachbücher.

Bilderserien führen auch ein in die Welt des Neuen Testamentes. In ihrem Mittelpunkt stehen die Tafelbilder des weltberühmten Schottenmeisters; er gilt als der bedeutendste Beitrag Wiens zur Malerei in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Hier werden die biblischen Szenerien durch ungewohnte Realismen aktualisiert und in das Wien des 15. Jahrhunderts verlegt: Maria und Elisabeth begegnen sich in der (heutigen) Spiegelgasse oder einer ihrer Parallelgassen. Und auf der Flucht eilt die Heilige Familie am südlichen Stadtrand Wiens vorbei.

Kostbare Bibelausgaben auch hier, darunter sogar deutschsprachige Bibelübersetzungen vor Luther. Ein eigener Raum ist den Bibelwissenschaftlern der Schottenabtei gewidmet; hier wird die enge Verbindung des Benediktinerklosters zur Universität Wien deutlich.

Schlusspunkt der Ausstellung ist das Motiv der Pilgerschaft: Reiseberichte des Mittelalters und der Neuzeit sind ausgestellt, und als Rarität ein "Beutelbuch", wie es das Wappen des Schottenklosters zeigt: ein Buch für die tägliche Schriftlesung auf Reisen, wie man es damals umgehängt trug.

Deutsche Bibeln vor Luther

"Bibelausgaben durchziehen die abendländische Geschichte und sind ein Teil unserer Kultur", sagt Abt Heinrich Ferenczy. Die Klosterbibliothek, eine der größten Privatbibliotheken Österreichs, steht normalerweise nicht zur Besichtigung offen; die Ausstellung ist daher eine einmalige Möglichkeit, sonst nicht zugängliche Bibelausgaben zu Gesicht zu bekommen.

Durch die Einbettungen in die hochrangigen künstlerischen Darstellungen biblischer Motive werden die Drucke und Handschriften in interessante Zusammenhänge gestellt und erhalten eine eigene Lebendigkeit abseits aller trockenen "Bibelkunde". Dass das Schottenstift damit auch Bibelkenntnisse vermitteln will, ist eine offene, aber nie aufdringliche Absicht.

Im Jahr 2005wird das Schottenstift sein 850-jähriges Bestehen feiern. Dafür wird das bereits bestehende Museum zu einem ständigen Informationsmuseum erweitert. Und natürlich darf man sich auf eine Jubiläumsausstellung freuen. CH

Bibel und Kunst in der Schottenabtei

Schottenabtei, Freyung 6, 1010 Wien

Bis 31. Juli 2004 Mo-Sa 10-17 Uhr

www.schottenstift.at

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