Die bioethische Agenda

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Eine Mehrheit der österreichischen Bioethikkommission hat sich für die Zulassung von In-vitro-Fertilisation (IVF) auch für lesbische Paare und alleinstehende Frauen ausgesprochen. Dahinter steht freilich ein gesellschaftspolitisches Programm.

Der Frauenministerin ist für ihre Klarheit zu danken: "Familie ist nicht mehr Vater, Mutter, Kind“, gab sie zu Protokoll. Damit ließ Gabriele Heinisch-Hosek erkennen, worum es ihr zu tun ist: im Allgemeinen - und im besonderen bioethischen Fall, der zurzeit für Kontroversen sorgt: ob künstliche Befruchtung künftig auch lesbischen Paaren (und alleinstehenden Frauen) offenstehen soll.

Die "Bioethikkommission beim Bundeskanzleramt“, vom Verfassungsgerichtshof (VfGH) um eine Stellungnahme gebeten, hat sich unlängst mehrheitlich (19) dafür ausgesprochen, eine Minderheit (6) hielt dagegen (s. Seite 2). Im Vergleich der beiden Stellungnahmen werden deutlich diametral entgegengesetzte gesellschaftspolitische Konzepte und diesen zugrundeliegende Werthaltungen sichtbar. Beide Seiten agieren ja nicht im luftleeren Raum oder im akademischen Elfenbeinturm, beide haben ihr politisches und weltanschauliches Umfeld.

Die Suggestivfrage "Warum nicht?“

Während den einen der biotechnologische Fortschritt als willkommenes Vehikel taugt, überkommene Lebensformen für obsolet zu erklären, begreifen die anderen Ethik als unerlässlich, um den mit ebendiesem Fortschritt unweigerlich verbundenen Risken und Gefahren zu begegnen. Dabei sind jene, die suggestiv fragen "Warum nicht?“ eindeutig gegenüber jenen im Vorteil, die immer wieder warnen "Bis hierher und nicht weiter!“ Berufen sich doch Erstere immer auf Vorausgegangenes, das längst akzeptiert bzw. gesellschaftliche Realität sei. "Wer A sagt, muss auch B sagen“, lautet das Grundmuster solcher Argumente. Das ist stets in sich schlüssig, blendet aber wohlweislich die Frage aus, ob nicht vielleicht A schon problematisch oder abzulehnen gewesen wäre.

Deshalb ist es nur konsequent, wenn die sechsköpfige Minderheit der Bioethikkommission im Anschluss an ihre abweichende Auffassung nocheinmal an grundsätzliche Bedenken gegenüber der In-vitro-Fertilisation (IVF) erinnert: Dazu zählen Mehrlings- bzw. Risikoschwangerschaften (mit möglicherweise daraus folgendem Fetozid, also der Tötung von Föten), das Entstehen überzähliger (zu entsorgender, allenfalls zu beforschender) Embryonen und dergleichen mehr. Im Zentrum dieser Bedenken steht wohl das, was im Minderheitsvotum "die potenziell weitgehende Entfernung der Methode von den Gegebenheiten der natürlichen Fortpflanzung sowie die Möglichkeit der Schaffung ungewöhnlicher persönlicher Beziehungen“ genannt wird.

Hier kommt ein weiterer umstrittener Begriff ins Spiel: "natürlich“. Wer damit heute operiert, setzt sich schnell dem Verdacht des Biologismus aus, der seinerseits nicht weit entfernt von jenem des Faschismus ist. Gewiss hat der Begriff der "Natur“ oder "Natürlichkeit“ eine ideologische Missbrauchsgeschichte. In Abgrenzung dazu sollte klar sein (und ist es seit der Genesis - "Macht euch die Erde untertan!“ - der Idee nach auch), dass es gerade die Natur des Menschen ausmacht, diese zu kultivieren, Kultur also zur "natürlichen“ Ausstattung des Menschen gehört. Aber darum geht es längst nicht mehr: In einem großen Bogen wurde alles, was man als "natürlich“ oder "naturgegeben“ verstehen konnte, als soziales Konstrukt erklärt: von Geschlechterrollen über Lebensformen bis hin zu Begabungen und Neigungen.

Der Mensch als Objekt

Hier verläuft - oft unausgesprochen, vielleicht bisweilen auch unbewusst - die wahre Trennlinie zwischen den beiden Seiten, freilich weit über die Bioethik hinaus. Wo alles bloß gesellschaftlich bedingt ist, wird zwangsläufig alles zur sozialen Frage. Diese Sichtweise darf für sich in Anspruch nehmen als liberal, progressiv und menschenfreundlich zu gelten - während ihre Kritiker tendenziell als verstockt, fortschrittsfeindlich und unsozial punziert sind. Vielleicht aber denken Letztere doch größer vom Menschen - während er bei den anderen, zu Ende gedacht, bloß als Objekt von Sozial-, Fürsorge-, Bildungspolitik sowie als Experimentiermasse der (Bio-)Technologie übrig bleibt.

* rudolf.mitloehner@furche.at

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