Die Diplomatie des Heiligen Stuhls

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Was Rom zur Erhaltung des (Welt-)Friedens beitragen kann.

Papst Johannes Paul II. hat - beispielsweise am 13. Jänner in seiner Rede vor dem Diplomatischen Korps - klare Worte zum drohenden Krieg gegen den Irak gefunden: ein Krieg sei niemals "irgendein beliebiges Mittel, das man einsetzen kann, um Streitigkeiten zwischen Nationen zu regeln". Die Politiker müssten den Mut haben, "Nein zum Krieg zu sagen, damit nicht die gesamte Menschheit in einen Abgrund versinkt", Krieg sei immer eine Niederlage für die Menschheit.

Dramatischer geht's fast nicht. Aber wie weit reicht die moralische Autorität des Heiligen Vaters, welchen Einfluss hat die vatikanische Diplomatie in der Welt? Dazu zwei grundsätzliche Bemerkungen: Man muss klar unterscheiden zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Vatikanstaat. Ersterer verkörpert die spirituelle Macht der Kirche und des Papstes, der zweite ist territorial zu verstehen, ein Ministaat, der ursprünglich die Souveränität gegenüber dem neu gegründeten Italien behauptete. In den internationalen Beziehungen aber ist der Heilige Stuhl der Akteur.

Schon Papst Paul VI. hat gesagt, in der Welt der Gegenwart gebe es nur die Alternative zwischen der Diplomatie und dem Krieg, oder wie es der ehemalige Kardinal-Staatssekretär Agostino Casaroli ausgedrückt hat: es gelte, der Macht der Vernunft über die Gründe für die Gewalt zum Sieg zu verhelfen. Oberstes Motiv des Papstes ist es dabei auch jetzt, im Dienst des Friedens zwischen Kirche und Staat, aber auch des Friedens zwischen den Völkern selbst zu handeln. Dies hat keineswegs etwas mit Pazifismus um jeden Preis zu tun. Ein Krieg kann nach Auffassung des Papstes nur das allerletzte Mittel sein, nachdem alle diplomatischen und politischen Möglichkeiten einschließlich jener der Vereinten Nationen ausgeschöpft sind. Selbstverteidigung ist demnach erlaubt, darum muss aber eine unmittelbare Gefahr auf Grund einer aggressiven Handlung vorliegen, nicht aber eine vermutete Absicht in der Zukunft.

Die Diplomatie soll idealerweise in der hartnäckigen, aber sachlichen Bemühung liegen, zwischenstaatlichen Beziehungen auf der Ebene des loyalen Dialogs, der Diskussion unter Achtung des Rechtes eines jeden im Fall von Divergenzen, auf der Ebene von Verhandlungen und Vereinbarungen zu halten. Damit bietet der Papst in einer sich verdunkelnden internationalen Szene eine Alternative zur überholten, aber noch immer praktizierten Maxime an, der Krieg sei die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. Papst Johannes Paul II. fordert Frieden durch Vergebung und Gerechtigkeit. Er lehnt das alte Diktum "Si vis pacem para bellum (Wenn du den Frieden willst, bereite den Krieg vor)" ab.

Daher ist der Heilige Stuhl auch in der Gegenwart gegen einen Präventivkrieg, der moralisch wie theologisch nicht zu begründen ist, Erzbischof Jean-Louis Tauran, der "Außenminister" des Vatikan, meinte vor kurzem in einem Interview, den Begriff Präventivkrieg würden die Heiligen Schriften nicht kennen. Der Papst hatte schon den ersten Golfkrieg abgelehnt, und auch jetzt unterstützt der Heilige Stuhl jene in der internationalen Gemeinschaft, die einen Krieg gegen den Irak vermeiden wollen.

Der Einfluss des Heiligen Stuhls spielt sich auf der moralischen Ebene in den Köpfen und Herzen der Menschen ab. Nicht umsonst legen die Staaten so großen Wert darauf, dass auch der Heilige Stuhl internationale Konventionen ratifiziert, und zwar oft mit dem Argument, das moralische Gewicht des Heiligen Stuhls verleihe einer Konvention mehr Aussicht auf Verwirklichung. Ein anderes Beispiel: die Gegnerschaft des Papstes gegenüber Diktaturen wird vielfach unterschätzt, wie die Geschichte des Unterganges des Kommunismus gezeigt hat.

Der Einfluss der Kirche in ihrer weltlichen und spirituellen Dualität hängt freilich vom jeweiligen Land, von der stärkeren oder schwächeren Anwesenheit der Katholiken, von der geopolitischen Lage einer Region ab. Über die Medien wirkt Papst Wojtyla auf die öffentliche Meinung ein, und das ist vor allein in der Gruppe der Demokratien nicht zu unterschätzen. Er tut dies in einer Weise, die nicht dem Zeitgeist auf den Mund schaut - aber gerade deshalb wird er auch von seinen Gegnern als Autorität wahrgenommen, mit der man rechnen muss.

Nach den Terroranschlägen vom 11. September ergriff der Papst zunächst die Meinungsführerschaft: der Islam dürfe nicht pauschal verurteilt werden, der Dialog mit dem Islam müsse fortgesetzt werden. US-Präsident George W. Bush ging in die Washingtoner Moschee und sagte Ähnliches. Dagegen waren die diplomatischen Bemühungen, eine definitive Abwendung eines neuerlichen Irakkrieges zu erreichen, bisher erfolglos.

Ein anderes Beispiel ist die Diskussion um die Aufnahme eines Gottesbezuges in die europäische Verfassung: noch vor einem Jahr hat nur der Papst davon gesprochen, Europa müsse auch eine Seele haben. Jetzt gibt es eine lebhaft geführte Auseinandersetzung über die christlichen Werte, die unseren Kontinent geprägt habe, über die Religionsfreiheit, die Identität und Ausdehnung Europas.

Die Haltung des Papstes zur Globalisierung ist ebenfalls beachtenswert, wenn er über den unbeirrbaren Appell zum Ausgleich von Arm und Reich in der Welt die soziale Komponente einbringt oder den Anliegen der Globalisierungsgegner mit dem Ruf nach stärkerem Umweltschutz entgegenkommt. Die Qualität des Papsttums (Johannes Paul II als weltliches und geistliches Oberhaupt) verleiht auch dem Heiligen Stuhl und seiner Diplomatie die einmalige Besonderheit, Macht ohne Gewalt ausüben zu können.

Der Autor ist österreichischer Botschafter beim Heiligen Stuhl.

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