Die drei Leben des Michael Jackson

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Die Musik des „King of Pop“ revolutionierte das Musikbusiness und setzte Maßstäbe für Generationen von Künstlern. Bis heute ist „Thriller“ das weltweit meistverkaufte Album.

Was bleibt von Michael Jackson? Denn auch wenn jetzt alle den verstorbenen Musiker aufgeregt umschwirren, war Jacksons Karriere bereits vor seinem Tod zu Ende, und es wäre falsch, sich von den 50 ausverkauften Konzerten in London täuschen zu lassen. Dieses als Comeback getarntes Lebenszeichen des Künstlers war vielmehr ein Abgesang und für die meisten Fans eine letzte Chance, den Künstler noch mal live zu sehen. Seine letzte wirkliche Welttournee war 1995-1996, seitdem gab es sporadische Auftritte, wunderliche Pressekonferenzen und mehr Absagen und Verschiebungen als tatsächlich stattfindende Ereignisse.

Es ist eigentlich unverantwortlich, dass sowohl Ärzte wie Management diese 50 Konzerte zuließen, denn niemand aus seinem engeren Umfeld glaubte wirklich daran, dass der Künstler zu so einer Tournee noch fähig wäre. Heute sind natürlich wieder alle „Freunde“ und Berater klüger und zutiefst betroffen. Was führte dazu, dass dieser einst größte Popstar der Welt tiefer als jeder andere fiel und sein Leben so einen tragischen Ausgang nahm? Jackson war weder der geniale Musiker noch der talentierte Songwriter, wie jetzt allerorts vollmundig behauptet wird. Er war vielmehr ein begnadeter Sänger, welcher seine Stimme als eigenes Instrument einsetzte und er war – noch viel mehr – ein Performer. Ein brillanter Tänzer und Sänger, der auf der Bühne seine letzte Heimat fand, aufblühte und letztlich nur dort ganz bei sich war. Michael Jackson hatte offensichtlich keine Chance, eine starke Persönlichkeit zu entwickeln, welche fähig wäre, das Leben abseits der großen Bühne zu meistern. Jacksons Karriere – und damit sein Leben – kann in drei großen Abschnitten betrachtet werden. Diese Abschnitte wurden jedoch nicht vom Künstler selbst, sondern von seinen Begleitern, Mentoren und Beratern geprägt.

In seiner ersten Karrierephase als Kinderstar prägte der dominante Vater das Leben und die Karriere des jungen Michael. Joe Jackson erkannte früh das große Talent seines Sohnes und prügelte den Jungen buchstäblich von Auftritt zu Auftritt. Der junge Michael hinterließ gemeinsam mit seinen Brüdern als „Jackson 5“ hinreißende R&B Singles und zahlte den Preis für den frühen Ruhm mit einer verlorenen Kindheit.

1979 unterschrieb der 21-jährige Michael Jackson beim Label Epic (betreut von CBS) und begann seine zweite Karrierephase, welche ihm den Titel „King of Pop“ bescherte. Jackson nabelte sich von seinem Vater ab und wurde in dieser Phase von drei anderen „Vaterfiguren“ begleitet. Diese waren Walter Yetnikoff (damaliger CEO von CBS-Records), Frank DiLeo und Quincy Jones. Yetnikoff erfasste Ende der 70er instinktiv Jacksons Talent und schuf für den Künstler einen großzügigen Rahmen künstlerischer Freiheit. Jacksons erstes Soloalbum „Off the Wall“ war bereits – jedoch nur in den USA - ein Riesenhit mit drei Top Ten Singles. Als Yetnikoff „Thriller“ zum ersten Mal hörte, wusste er, dass er hier einen Welthit in Händen hielt.

Yetnikoff setzte MTV unter Druck, das Video von „Billy Jean“ zu spielen. Der damals noch junge Sender weigerte sich, das Video eines schwarzen Künstlers zu spielen. Yetnikoff drohte, den Sender in Zukunft zu boykottieren, sollten sie das Jackson-Video nicht spielen. Keine Videos mehr von anderen CBS-Künstlern wie Bruce Springsteen, Billy Joel, Bob Dylan oder Barbara Streisand. Die Verantwortlichen von MTV gaben nach und die Bilder des tanzenden und singenden Jackson gingen um die Welt. Die Single schoss weltweit in die Charts, das Album wurde zum meistverkauften in der Popgeschichte und Jackson der erste globale Superstar. Frank DiLeo war zuerst Jacksons Leibwächter und väterlicher Freund und wurde bald zu seinem Manager. DiLeo schützte den scheuen Star vor Presse und Fans und plante und gestaltete dessen Karriere. Der möglicherweise wichtigste Mann in Jacksons Karriere war jedoch Quincy Jones. Der Jazzmusiker und Produzent produzierte Michael Jacksons drei besten Alben. „Off the Wall“ 1979, „Thriller“ 1982 und „Bad“ 1987.

Musik, die Welten vereinte

So talentiert Michael auch war, es bedurfte eines musikalischen Direktors, um das Genie des Künstlers in die richtigen Kanäle zu leiten. Quincy Jones’ Produktion ist von einer musikalischen Finesse, welche heute noch staunen lässt. Er schaffte es, einen schwarzen Sänger weiße Popmusik so singen zu lassen, dass wahrhaftig etwas Neues entstand. Die Musik in dieser Phase vereinte Welten. Alle konnten sich auf Jackson einigen. Quincy Jones vermengte die Stile und schuf etwas Neues, welches doch vertraut wirkte. Michael Jackson wurde durch seine Musik zum ersten globalen Popstar und durchbrach jede bestehende Kategorie. Seine Musik war weder schwarz noch weiß, noch Pop, Soul oder Rock. Dieser Status wurde durch seine Welttourneen und phänomenalen Konzerte nur noch untermauert.

1989 war ein weiteres Schicksalsjahr in Jacksons Karriere. Der Künstler feuerte seinen Manager Frank DiLeo und trennte sich von seinem Produzenten Quincy Jones. Jackson wollte den Ruhm nicht mehr mit anderen teilen. Inzwischen kaufte Sony CBS und trennte sich von Walter Yetnikoff. Jacksons drei wichtigste Wegbegleiter verließen das Umfeld des Künstlers. Seitdem verschliss Jackson elf Manager und bei seinen Plattenproduktionen unzählige Produzenten. Es war der Anfang vom Ende der Karriere des Michael Jackson. Das 1995 folgende Album „History“ war musikalisch nur mehr ein Schatten der brillanten Frühwerke, transportierte jedoch das Ego eines bereits völlig abgehobenen Künstlers, welcher sich seiner Möglichkeiten und Grenzen schon lange nicht mehr bewusst war. Umgeben von falschen Freunden und teuren Beratern, wurden zu viele fatale Entscheidungen getroffen. Sein letztes Studioalbum „Invincible“ kostete Unsummen, war musikalisch erbärmlich und kommerziell ein Flop. Michael Jackson hat mit „Thriller“ das Musikbusiness revolutioniert und durch seine Musik Grenzen und Konzepte eingerissen. Und er war ein Mensch, der leider nur auf der Bühne bei sich sein konnte. Denn damals sang und tanzte er wie von Göttern geküsst. Besser wurde er nicht mehr – und die Popmusik auch nicht.

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