Die Eifersucht als Todesurteil

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Hätte nicht Wiens früherer Staatsoperndirektor Claus Helmut Drese diesen zum Titel seiner Erinnerungen an die für ihn unterschiedlich erfreulichen Wiener Jahre gewählt, könnte man bei dieser Produktion am Theater an der Wien von einem "Palast der Gefühle" sprechen. Weil das vor allem durch seine zahlreichen Arbeiten für Cecilia Bartoli und die Salzburger Pfingstfestspiele bekannte Regieduo Moshe Leiser &Patrice Caurier nicht an die Götterwelt glaubt, die Geschichte aber in diesem Ambiente spielt, mussten sie sich auf die Suche nach einer anderen Lesart für diese Theseus-Oper begeben. Kurzerhand verlegten sie den Schauplatz in ein stilvolles englisches Palais des 18. Jahrhunderts, das Geschehen spielt sich aber Mitte des vorigen Jahrhunderts ab, rund um den Zweiten Weltkrieg. So kann man diesen Ort auch als Lazarett deuten.

Im Bann der Zauberin

Auch sonst ist das Regieteam bei dieser sich mehrfach um Liebe und Eifersucht drehenden Geschichte, die weniger Teseo im Mittelpunkt sieht als die sich in dieser Interpretation am Ende in die Luft sprengende Medea, um fantasievolle Assoziationen nicht verlegen. Selbst wenn dabei manches überzogen wirkt. So wird Medea einmal plötzlich in die Höhe gezogen, dann wieder sollen zwei unvermutet aus Türen ragende, überdimensionierte Hände demonstrieren, wie sehr sich die hier auf die Bühne gestellte Gesellschaft in den Klauen der zauberischen Medea befindet. Was nur ein letztes Aufbäumen ihrer Macht darstellt. Denn ihr Versuch, Teseo doch noch für sich zu gewinnen, indem sie dessen Geliebte Agilea durch Gift unschädlich macht, scheitert, als Athens anfangs von Verletzungen gequälter König Egeo erkennt, dass Teseo sein Sohn ist. So bleibt der unglücklichen Medea am Ende nichts anderes übrig, als den Freitod zu suchen, womit der Weg für Teseos Glück mit Agilea offen wird.

Die hier zuweilen wie ein Raubtier agierende Gaëlle Arquez ist auch das vokale Ereignis dieser Produktion. Mit höchster Leidenschaft stellt sie ihr Hin-und Hergerissensein zwischen Liebeshoffnung und bis zum Äußersten gehender Ausnützung ihrer Zaubermacht, um ihr Ziel zu erreichen, dar. Hochkarätig die ihre heiklen Koloraturen brillant meisternde Mari Eriksmoen als Agilea, souverän der kultivierte Christophe Dumaux als Egeo. Blass in jeder Hinsicht Lena Belkina als Teseo. Solide die übrigen Protagonisten, gewohnt professionell der Arnold Schoenberg Chor. René Jacobs, der fehlende Teile der verloren gegangenen Originalpartitur ergänzt hat, konzentrierte sich an der Spitze der virtuos aufspielenden Akademie für Alte Musik Berlin auf die Dramatik des Sujets. Weniger Spannung vermochte er aus den intimeren Momenten des in dieser Gestalt erstmals präsentierten Werks herauszuholen. Dennoch: Händels dritte Oper für London ist eine Entdeckung wert.

Teseo Theater an der Wien, 23., 25. Nov.

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