Die erste moderne Ehetragödie

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Kammerspiele, Innsbruck

Da die biedermeierliche Welt Franz Grillparzers die abgründigen Gestalten des Euripides um Medea und das goldene Vlies nicht zulässt, wird die dämonische, fremde Zauberin und Königstochter für Grillparzer in seiner "Medea" zur Bürgersfrau, die die erste moderne Ehetragödie erlebt: Das straffe Regiekonzept von Thomas Oliver Niehaus - das sich auch in der niveauvollen Besetzung profiliert - hebt in Innsbruck die geistige Potenz des Stückes aus ihrer Zeit und erweitert dessen Tiefendimensionen: Nicht allein Rassismus und Unvereinbarkeit unterschiedlicher Kulturen werden diskutiert; das Bild der Frau in ihrer vollen Unterdrückung steht vorrangig im Zentrum des Trauerspiels. Niehaus kürzt den Originaltext in psychologischer Hellsichtigkeit und übt - grillparzergetreu - harsche Kritik am Klischee der traditionellen Stellung der Frau in einer autoritären Männerwelt.

Das große Bühnendrama in den Kammerspielen lässt mit Jason (Walter Sachers, ein perfekter Prolo-Held mit Halskette und T-Shirt) einen gealterten Schwächling samt Familie bei König Kreon (Günter Leider im eleganten weißen Anzug mit Schirmmütze und Bodyguard) Zuflucht suchen. Die Liebe des Exhelden zu seiner Frau Medea (von Eleonore Bürcher neu und wunderbar durchlebt) ist längst nur mehr die Erinnerung an eine Erinnerung. Er schwächt und demütigt nun seinerseits Medea und wendet sich der naiv-durchtriebenen Kreusa (Ulrike Lasta) zu. Jason montiert seine Frau sozusagen um, raubt ihr Selbstbewusstsein und Lebensfreude, sodass sie sich langsam in das Monster verwandeln muss, das aus Verzweiflung, verschmähter Liebe und Rache ihre Söhne mordet - und dann geht, das blutige Symbol goldenes Vlies mit sich nehmend. Die Frauen Medea, Kreusa und Gora (Agathe Taffertshofer) verbindet zuletzt Verstehen um die grausame Tat.

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