Die Frage nach der Identität

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Aktuell, sinnlich, gelungen: "Aspekte, Positionen - 50 Jahre Kunst aus Mitteleuropa" im Museum Moderner Kunst Wien.

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Aktuell, sinnlich, gelungen: "Aspekte, Positionen - 50 Jahre Kunst aus Mitteleuropa" im Museum Moderner Kunst Wien.

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Der Zeitpunkt ist gut gewählt, das Thema politisch aktuell und die Schau sinnlich zusammengestellt. Mit dieser Kurzcharakterisierung ist das Wesentliche über die neue Großausstellung Lorand Hegyis schon gesagt. Klar ist auch, daß "Aspekte, Positionen - 50 Jahre Kunst aus Mitteleuropa 1949-1999" das bisher unverkennbarste und mutigste Statement des vor zehn Jahren als Direktor des Museums moderner Kunst in Wien bestellten ungarischen Kunsthistorikers ist. Bilder, Photos, Skulpturen und Installationen von 164 Kunstschaffenden aus mittlerweile elf Staaten hat Hegyi gemeinsam mit den Länder-Kuratoren ohne nationale Begrenzung im Palais Liechtenstein und im 20er Haus zu einem heterogenen Nebeneinander aufgebaut.

Ausgangspunkt für die Ausstellung war die kultursoziologische und kunstgeschichtliche Ambition, "Mitteleuropa" zehn Jahre nach dem Herabfallen des Eisernen Vorhangs neu zu beleuchten. Warum gerade die Kunst als geeigneter Ort der Diskussion erscheint, erklärt Hegyi mit einem Zitat Jean Monnets, einem der Gründungsväter der Europäischen Gemeinschaft: "Wenn ich Europa nochmals erneuern müsste, würde ich bei der Kunst beginnen".

Die Zielsetzung wirft eine Reihe von Fragen auf, etwa jene nach Hegyis geographischer Definition von "Mitteleuropa" oder: Was ist das mitteleuropäische der Kunst Mitteleuropas? Wo liegen die Eigenheiten der tschechischen, slowakischen, ungarischen oder österreichischen Kunst? Was unterscheidet oder verbindet die Kunst der einzelnen Länder? In mehrfacher Hinsicht leitmotivisch steht insofern ein Bild aus dem Jahr 1969 von dem slowakischen Künstler Julius Koller: Zu sehen ist darauf ein einziges Motiv: Ein den ganzen Bildraum einnehmendes Fragezeichen. Der Titel "Anti-Picture" weist daraufhin, daß es Koller um das Infragestellen des Mediums "Bild" geht. Das Fragezeichen erinnert den Besucher aber auch an die zentrale Frage der Ausstellung: Die nach Identität, sei es nach künstlerischer, nach nationaler oder politischer.

Im Palais Liechtenstein beginnt die Schau zunächst mit der Präsentation von Arbeiten aus den fünfziger bis siebziger Jahren, das 20er Haus konzentriert sich auf Werke aus den letzten zwei Jahrzehnten. Besonders spannend erscheint dabei im Palais der Saal, in dem Arbeiten aus dem Bereich der Aktionskunst und Performance aus Wien, Kroatien, Tschechien und Ungarn einander neu beleuchten und so manche bisherige kunsthistorische Bewertung relativieren. Im 20er Haus berühren vor allem die neuen Werke von Künstlern aus der FR Jugoslawien, aus Kroatien, Slowenien und Bosnien-Herzogowina, die die soziale und politische Realität nach dem Zerfall der FR Jugoslawien Ende der achtziger Jahre thematisieren. Sanja Ivekovic aus Kroatien konfrontiert etwa den Besucher in der plakativen, aber eindrucksvollen Skulpturen-Text-Installation "Autonomes Frauenhaus" mit Masken und Biographien von Frauen aus dem Kriegsgebiet.

Gelungen an der Gesamtinszenierung Lorand Hegyis ist die Präsentation vieler Künstler aus dem ehemaligen Osten, die man bisher außerhalb ihres Wirkungsraums nicht kannte. Geglückt ist auch die Aufhebung von Grenzen und das Zerstören tradierter Klischees wie "Ostkunst" und "Westkunst". Daß es dabei zu gewissen Unschärfen und mitunter zu Beliebigkeiten kommt, bringt ein Konzept, in dem Aufbrechen und nicht Ordnen im Vordergrund steht, mit sich.

Bis 27. Februar

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