Die Frauen sollen gefallen und schweigen!

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In der gesamten Kirchengeschichte rebellierten Frauen gegen die Vorurteile der Kirchenmänner - zum Glück für die Kirche, die ohne die "Trotzigen" ärmer wäre.

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In der gesamten Kirchengeschichte rebellierten Frauen gegen die Vorurteile der Kirchenmänner - zum Glück für die Kirche, die ohne die "Trotzigen" ärmer wäre.

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Der Dialog für Österreich läßt zwei Styria-Bücher, die bereits im Vorjahr erschienen, plötzlich hochaktuell erscheinen. Sie behandeln Lebensbilder von Frauen im Mittelalter und bemerkenswerte Frauen der Kirchengeschichte. Minutiöse Details lassen "Frauen des Mittelalters" auf den ersten Blick wie ein Buch für Experten aussehen, doch erweist es sich als spannende Lektüre: Es setzt der männlich dominierten Kirchengeschichte ein lebendiges Zeugnis der intellektuellen und spirituellen Kraft von Frauen entgegen.

20 Biographien von Frauen aus Herrscher- und Fürstenfamilien des Mittelalters bieten einen Überblick über Verwandtschafts- und Vermögensverhältnisse, Heiratspolitik, Religiosität und Gehorsam, der das Leben adeliger Frauen bestimmte. Doch setzten sie sehr wohl politische, religiöse und soziale Akzente, erreichten Liebesheiraten oder Begnadigungen politischer Feinde, wählten Berater aus und übten über die Erziehung der Kinder große Macht aus. Adeliges Frauenleben war von zahlreichen Geburten, hoher Säuglingssterblichkeit, Repräsentationspflichten, kriegführenden Ehemännern und Verschwörungen an den Höfen bestimmt und das Leben im Mittelalter auch für die Frauen der Oberschicht alles andere als einfach. Die Unterwürfigkeit und Zurückgezogenheit, die in historischen Zeugnissen oft betont wird, entsprach nicht ihrer Lebensrealität.

Der Band eignet sich hervorragend für Geschichtsunterricht jenseits gängiger Klischees, wenn auch bei manchen Beiträgen die Historikersprache den Blick auf die Menschen hinter Listen von er- und vererbten Gütern und komplizierten Verwandtschaftsverhältnissen etwas vernebelt.

Von der ersten bis zur letzten Seite ergreifend liest sich hingegen das zweite Buch, in dem sich Italiens führende Theologin Cettina Militello mit starken Frauen in der bewegten Geschichte der Christenheit auseinandersetzt. Ohne radikalfeministischen Ansatz schält sie aus der Geschichte der Frauen eine Geschichte der Kirche, in der sich Frauen, bestärkt durch mystische Erfahrungen oder intellektuelle Fähigkeiten, immer wieder durchsetzen konnten.

Unter ihnen die zarte Märtyrerin Blandina, die unter Marc Aurel verfolgt und zu Tode gefoltert wurde, die gebildete Katharina von Alexandrien, Schutzpatronin der Theologen und Philosophen, die mit ihren rhetorischen Fähigkeiten 50 Gelehrte besiegt, die sich fragen, welche Verbindung es zwischen einer Frau und der Rhetorik geben könne und von Katharina zum Christentum bekehrt werden, bevor sie Kaiser Maximinus Daja enthaupten läßt, die Diakonin Olympias, die im fünften Jahrhundert "die Salbung nach der Taufe, die Katechese für die Frauen, den Gebetsdienst und die kirchliche Vermittlertätigkeit" ausübt, obwohl sie verwitwet ist und die strengen Kriterien der jungfräulichen Nachfolge Christi nicht erfüllt. Ihr Mentor Chrysostomos, Patriarch von Konstantinopel und Reformer der christilichen Gemeinde, beruhigt sie: Christus werde für den Eintritt in sein Reich keinen Unterschied zwischen der Jungfräulichkeit und dem Ehestand machen, sondern Rechenschaft über die Nächstenliebe verlangen. Die törichten Jungfrauen würden verdammt werden.

Die trotzige Teresa Militello schreibt über Thekla, die Schülerin von Paulus, die als Mann verkleidet nach Paulus sucht, der fliehen mußte, und die sich schließlich sogar von ihrem Lehrer emanzipiert und ihr Martyrium unbeschadet übersteht. Sie schildert das Leben der Reformatorin des Karmeliterordens, die Mystikerin Teresa von Avila, die lang um ihre Berufung ringt, vom Nuntius als "ruheloses, vagabundierendes, ungehorsames, trotziges Frauenzimmer" beschimpft wird und 1970 von Papst Paul VI. als erste Frau unter die Kirchenlehrer aufgenommen wird.

Von der Begründerin der "Englischen Fräulein" Mary Ward, die in der Zeit der Religionskämpfe und der Gründung der anglikanischen Kirche neue Institute zur Erziehung von Mädchen mit für die damalige Zeit revolutionären pädagogischen Ansätzen gründete, meinte der anglikanische Bischof Abbot angesichts ihrer Hartnäckigkeit, sie schade "der anglikanischen Kirche mehr als sechs Jesuiten zusammen". Ihre optimistische und klare Spiritualität findet bei Papst Urban wenig Gegenliebe. Er verurteilt sie und die Englischen Fräulein, da sie sich "mit Dingen beschäftigen, die weder mit weiblicher Bescheidenheit noch mit jungfräulicher Sittsamkeit in Einklang zu bringen" seien.

Auch die mexikanische Dichterin und Mystikerin Juana de la Cruz, die im Kloster Literatur- und Theologiestudien betrieb, Komödien und Gedichte schrieb und 1695 einer Pestepidemie zum Opfer fiel, wurde mit den Vorurteilen des Klerus gegenüber Frauen schmerzlich konfrontiert. Sie mischte sich in die Diskussion ein, ob es Frauen erlaubt sein solle, die Bibel zu studieren und zu interpretieren. "Es hätte in der Geschichte der Kirche nicht so viele Fälle von Ketzertum gegeben, wenn es den vielen, die sich für weise hielten, nur weil sie Männer waren, verwehrt worden wäre, sich ohne entsprechende Kenntnisse mit der Heiligen Schrift zu befassen", meinte sie.

Armida Barelli, die Mitbegründerin der Katholischen Jugend- und Frauenbewegung, wurde zwar von Papst Pius X mit der Bemerkung, die Frau solle "gefallen und schweigen und zu Hause bleiben" abgeschmettert, verwirklichte ihre Ideen aber mit Ausdauer, da sie die Anleitung und Bildung junger Mädchen für ganz besonders wichtig erachtete.

Cettina Militello würdigt neben Frauen wie Simone Weil oder Edith Stein auch Gianna Beretta Molla, deren Seligsprechung von Feministinnen zum Teil heftig kritisiert wurde. Sie starb als "heldenhafte Mutter" kurz nach der Geburt ihres vierten Kindes und sei ein Symbol für jene demütigenden ehelichen Pflichten und die Bejahung der Mutterschaft um jeden Preis, die nicht mehr zeitgemäß seien, lautete die Kritik. Die Autorin meint, daß auch sie abseits solcher Klischees als Ärztin und Christin mit ihrer Spiritualität und ihrem sozialen Engagement weit über den Anlaßfall der bewußten Risikoschwangerschaft als beispielgebende Frau gewürdigt werden müsse.

Es ist beeindruckend und für gesellschaftspolitisch und kirchlich engagierte Frauen ermutigend, wie Christinnen unter schwierigen Bedingungen in einer nicht immer geschwisterlichen Kirche Weichenstellungen vornahmen und aus ihrem Glauben, aber auch aus dem ganz normalen Leben Kraft schöpften.

FRAUEN DES MITTELALTERS IN LEBENSBILDERN Herausgegeben von Karl Schnith Verlag Styria, Graz 1997 504 Seiten, geb., öS 420,- MÜTTER UND GELIEBTE, NONNEN UND REBELLINNEN Frauen, die Geschichte machten Von Cettina Militello Übersetzung: Margot Müller Styria Verlag, Graz 1997 382 Seiten, geb., öS 420,

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