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Der Schriftsteller Peter Waterhouse sitzt im Großen Verhandlungssaal des Asylgerichtshofs in Wien und liest - nicht aus seinem literarischen Werk, sondern aus einem 775 Seiten umfassenden Buch mit dem Titel "Fremdenrecht (4., aktualisierte und erweiterte Auflage, erschienen in Wien und Graz 2010, gedruckt in Prag)". Er tut dies im Rahmen des Projektes "mitSprache", das zehn Literaturhäuser und Literaturzentren in Österreich seit 2004 organisieren. (Texte und Videos sind auf www.mit-sprache. net zu hören und zu lesen, kurze Videoausschnitte gibt es nun auch auf der DVD "mitSprache. Reden zur Situation", Klever Verlag).

Milliarden Fremde

Als Kind kannte Waterhouse die "Fremdenzimmer" aus der Sommerfrische in Österreich - und die Bedeutung dieses Wortes lässt einen Zusammenhang mit dem Wort Gast ahnen. Doch dieser lässt sich im Fremdenrecht nicht finden. "Ich schlage nach unter dem Stichwort Fremder," sagt Peter Waterhouse, "vielleicht weil ich selber einer bin oder gar nicht richtig fremd sein kann oder mehr Freunde kenne als Fremde, viele Freunde habe, aber Fremde gar nicht haben kann. Feinde kann man haben, aber Fremde ..." Und er wird fündig: Im "Sinne dieses Bundesgesetzes" ist ein Fremder, "wer die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt. ... So zähle ich also im Sinne dieses österreichischen Gesetzes zu jener beträchtlichen und weltberühmten Zahl von Fremden verstreut über die ganze Welt, für die alle dieses Gesetz gilt, zu den mehr als vier, bald fünf Milliarden auf der Welt, auf welcher es verhältnismäßig wenige Einheimische gibt. Das österreichische Fremdenrecht gilt für oder ist anwendbar auf mehr als vier Milliarden Menschen in Hunderten von Ländern und Städten ..."

Und diese Milliarden Fremden denkt man sich wohl mit Lese-, Schreib-und Sprechnotstand. Denn das Gesetz, liest Waterhouse weiter, verlangt von jenen, die nach Österreich kommen, um hier vielleicht zu bleiben, "Alphabetisierungskurse","in denen sie sprechen lernen sollen und Laute, Silben und Buchstaben, Wörter und Sätze unterscheiden, zählen von null bis neun und weiter als neun ... Ist schon einmal mit angemessener Sorgfalt untersucht worden, wieviele Alphabete oder wieviele Schriften diejenigen schreiben, die von weither nach Österreich kommen? Ich kenne manche, die mit drei oder vier verschiedenen Buchstabiersystemen schreiben können und vier und fünf Sprachen sprechen und jetzt in Österreich leben."

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