Die Freude an der Farbe

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"Deshalb gern mied ich alles Sinnen vorher, eine vage Vorstellung nur in Glut und Farbe mir genügte“. Leitmotivisch und titelgebend wirkt dieses Zitat Emil Noldes für die Ausstellung im Unteren Belvedere, die knapp 200 Arbeiten des norddeutschen Künstlers aus allen Schaffensperioden zeigt. Seine beeindruckende Art und Weise, Farbe wirken zu lassen, zieht sich dabei fast durch die gesamte Schau. "Es geht um die pure Freude an der Leuchtkraft der Farbe, um ein unmittelbares Anspringen der Leinwand, um eine ungehemmte Arbeitsweise, die eine Intensität erzeugt, die andere nicht haben“, sagt Kurator Stephan Koja zur FURCHE. Weniger noch ist diese Strahlkraft in den Anfangsarbeiten im ersten Raum zu sehen.

Farbgewaltige Kontraste

"Wir wollten die Suche eines Malers nach seiner Ausdrucksweise zeigen, doch diesen Bildern fehlt das Zwingende. Sie wirken wie in einem angeeigneten Stil, der nicht der eigene ist“, so Koja. Im Anschluss möchte man jedoch "das Leuchten und aufeinander Antworten der Farben feiern“.

In Bilder gefasster Großstadttrubel zeigt dies ebenso wie beeindruckende, förmlich überwogende Meeresdarstellungen. Auch in der Abhandlung biblischer Themen und in Gartenbildern wird offenbar, was Noldes Berühmtheit ausmacht und in der Ausstellung besonders in den Fokus gerückt wird: die Faszination der Farbe. Wie gelingt es Nolde, eine ganz eigene Wirkung zu erzeugen? "Bei ihm ist die Farbe vom Gegenstand losgelöst, die Kontraste werden verstärkt, damit ein prachtvolles Nebeneinander entsteht - das kann durchaus etwas Gewalttätiges haben“, erklärt Koja. Belvedere-Direktorin Agnes Husslein-Arco führt aus, dass Nolde "leuchtende, volltönende Farbflächen betonte und Details unterschlug“.

Um all dies noch mehr wirken zu lassen, präsentiert man die Werke in eigenen "Nolde-Rahmen“. Solche stellte Nolde einmal aus der Not heraus aus mit Teer bemalten Brettern her, wobei er merkte, dass sie die Intensität seiner Farbgebung noch verstärkten.

Schwülstig sind manche Arbeiten, "doch erstens habe ich solche unwirklich erscheinenden roten Wolkenstimmungen in Seebüll, wo Nolde lebte, wirklich gesehen“, sagt Koja, "und zweitens fängt er sie durch die Rauheit seiner Malerei ab. Das Gestische ist deutlich zu sehen und die grobe, pulsierende Leinwand verhindert, dass die Bilder ins Süßliche kippen.“ Nolde fragt dabei nach dem menschlichen Empfinden vor dem Anblick einer Landschaft oder einer Szene, egal, ob es sich um ein Blumenstilleben, seine religiösen Darstellungen oder solche von Fabelwesen, denen er am Strand selbst begegnet sein will, handelt.

Noldes "entartete Kunst“

Den Abschluss der Ausstellung machen einerseits Bilder jener Österreicher, die von Nolde beeinflusst sind, darunter Kokoschka, dessen Stilwandel zu breiten Farbflächen der Dresdner Periode ohne Nolde undenkbar gewesen wäre, und Boeckl, dessen leuchtendes Kolorit an Nolde erinnert. Max Weiler entwickelt wie Nolde die Motive aus der Farbe heraus.

Andererseits wird die Schau abgerundet von rund 50 "Ungemalten Bildern“, die in der Zeit des Nationalsozialismus entstanden, als Nolde als "entarteter Künstler“ bezeichnet und mit Berufsverbot belegt wurde. So malte er im Geheimen kleine Aquarelle, die vorrangig wegen ihrer geschichtlichen Bedeutung interessant sind, aber doch zeigen, was Nolde gerne als große Ölgemälde geschaffen hätte. Die Ironie steckt darin, dass Nolde selbst dem Nationalsozialismus nicht abgeneigt war, was die Ausstellung aber absichtlich nicht genauer beleuchtet: "Ich fand, Nolde hat als Maler seine Wirkung, seine Stellung zum Nationalsozialismus wird im Katalog erwähnt und nicht unter den Tisch gekehrt“, sagt Koja. "Aber es ist eine Kunstausstellung ... und viele gehen von einem romantischen Künstlerbild aus, das besagt, dass ein guter Maler auf allen Gebieten gut sein muss“. Klar ist: auch in den Kleinformaten kommt zur Geltung, was die Schau in den Vordergrund stellen möchte - Noldes ganz spezielle Art und Weise, mit Farbe zu arbeiten.

Emil Nolde. In Glut und Farbe

Unteres Belvedere bis 2. Februar 2014, täglich 10-18 Uhr, Mi bis 21 Uhr www.belvedere.at

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