Die Freundschaftsfalle von Facebook

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Facebook ist dank des Kinofilms #The Social Network# einmal mehr in aller Munde. Und in der Kritik.

Facebook, das Datenmonster. Noch nie in der Geschichte des Internets haben User so bereitwillig persönlichste Daten preisgegeben wie bei dieser Web-2.0-Anwendung.

Geburtstage, Hobbys, Beziehungsstatus: 60 Prozent aller Jugendlichen in Österreich, die Facebook regelmäßig nutzen, sind für die Betreiber (und die Werbewirtschaft) durchsichtig geworden. Und das nur, weil sie sich mit ihren #Freunden# zusammenschließen. Oft wissen sie aber nicht einmal, wen sie da aller als Freund hinzufügen. Und wer ihre Daten missbrauchen kann.

Erst kürzlich verlangte das #soziale Netzwerk# namens Facebook von einigen Usern die Telefonnummer, ohne die der Zutritt zum Benutzerprofil verwehrt blieb. Wer dabei bleiben will, muss seine Daten eben rausrücken.

So sehen Geschäfte im Web 2.0 aus, gerade die von Mark Zuckerberg, dem Gründer von Facebook. Als er 2004 als Student in Harvard erstmals ein Studenten-Netzwerk online stellte, konnte er noch nicht ahnen, dass seine Erfindung heute 10 Milliarden Dollar wert ist.

Jetzt erzählt der Kinofilm #The Social Network# die Entstehungsgeschichte von Facebook nach # und zeigt Erfinder Zuckerberg als ehrgeiziges, aber soziopathisches Computer-Genie, das seine Freunde, die ihm sein Start-up-Unternehmen vorfinanzierten, am Ende nur ausnutzte.

#Citizen Kane# 2.0?

Die US-Medien überhäuften den Film mit Lob, weil er auf Basis von Fakten zeige, wie man im Internet aus einer Idee ein Imperium erschaffen könne. Sogar Vergleiche zu #Citizen Kane# kamen auf, weil in beiden Filmen ein Mann die Gesellschaft nur durch seinen Willen und Mut zu neuer Technologie verändert.

Ganz anschließen kann man sich dem Lob nicht: Zwar huldigt der spannend erzählte Film dem US-Erfindergeist, doch beruhen große Teile davon auf Spekulation.Der Film beruht auf dem unautorisierten Buch #The Accidental Billionaires# des Journalisten Ben Mezrich, der offen zugibt, Szenen und Dialoge erfunden oder dramatisiert zu haben.

Wahr ist, dass Zuckerbergs Erfindung die Alltagskommunikation verändert hat. Auch die Werbewirtschaft hat das erkannt: Facebook verdient gut an den Werbeinseraten, aber auch Guerilla-Marketingstrategien sind möglich geworden, die im Unterschied zu aufwendigen Kampagnen nichts kosten. Ein Potenzial von 500 Millionen Nutzern will ausgeschöpft werden, 50 Prozent davon loggen sich täglich auf die Facebook-Seite ein.

Die Vermarktung via Facebook beruht auf dem Prinzip des #User generated content# # der Kunde selbst soll arbeiten. Coca-Cola lässt auf Facebook sogar Postings wie #Pepsi schmeckt besser als Coke# zu, um für Diskussion unter den Fans zu sorgen. Man hat verstanden: Die beste Werbung machen die Fans selbst. Kostenlos und freiwillig.

Derlei Geschäftsmodelle und der schier endlos erweiterbare Freundeskreis bringen scheinbar Vorteile für die Konsumgesellschaft. Doch was stellt Facebook tatsächlich an mit seinen Usern?

Letztlich besteht die Veränderung, die soziale Netzwerke bewirken, nicht primär in Datenklau oder zweifelhaften Freizeitbeschäftigungen (etwa das Facebook-Spiel #Farmville#, das von 70 Millionen Usern gespielt wird), sondern in einer Neudefinition des Einsamkeitsverständnisses und des Selbstwertbegriffs der Menschen.

Über soziale Netzwerke wird der emotionale wie physische Marktwert eines Menschen neu verhandelt: Der eigene Status hängt davon ab, wie viele #Freunde# man in der Liste führt. Unreflektiert kann dieser Aspekt auch schädlich für die soziale Entwicklung von Kindern und Jugendlichen sein.

Schädlich für soziale Entwicklung

Die Unterscheidung zwischen Öffentlichkeit und Privatsphäre fällt zunehmend schwerer, glauben etwa die Autoren der Plattform Neueslernen.org, die sich mit dem Internet als Lernmedium befassen. Und auch die Arbeiterkammer Wien warnte in einer Broschüre vor der Preisgabe allzu vieler persönlicher Daten: #Das Internet hat ein langes Gedächtnis. Inhalte, die einmal online sind, können oft nur schwer kontrolliert oder gar gelöscht werden.#

Der Film #The Social Network# zeigt auch, wie brisant die Auswirkungen von sozialen Netzwerken sein können #Anwender (und Macher) sozialer Netzwerke stolpern oft als emotionale Zombies durch die Realität. Hier wird der Nachteil des demokratischen Internets offenbar, nämlich die unkontrollierbare Verselbstständigung der Nutzungsdynamik: Die Software wurde veröffentlicht, ohne Langzeittests über die Auswirkungen auf Nutzerverhalten und Privatsphäre durchzuführen.

Man stelle sich vor, das gleiche würde mit neuen Medikamenten geschehen.

The Social Network

USA, 2010 Regie: David Fincher. Mit Jesse Eisenberg, Justin Timberlake, An-

drew Garfield. Verleih: Sony. 120 Min.

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