Die gefährdete Anstalt

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Die größte Medienanstalt in Österreich, der ORF, ist in argen Nöten. Nicht mehr alle haben Hoffnung, dass diese Krise zu meistern ist.

„Im Juli habe ich für einen – noch nicht erschienenen Buchbeitrag – geschrieben, dass es in zehn Jahren den ORF nicht mehr geben wird. Heute muss ich sagen: Es wird wesentlich schneller gehen.“ Peter Huemer, legendärer „Club 2“- Macher und dann tiefschürfender Virtuose des Radio-Interviews, hat jede Illusion verloren. Noch vor zwei Jahren war Huemer unter den Proponenten der Initiative SOS-ORF, welche gut 70.000 Unterschriften für einen erneuerten ORF sammelte. Müsste er nicht jetzt – angesichts horrender Budgetdefizit-Zahlen, einem eingebrochenen Werbemarkt, Publikumsschwund und Grabenkämpfen nicht nur auf dem Küniglberg nicht erst recht einem Dacapo von SOS-ORF das Wort reden? Nein, so die müde, aber klare Antwort des langgedienten Kämpfers um einen ORF als öffentliche Anstalt: Die Schicht, der ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk noch am Herzen liegt, sei zu dünn geworden. Huemer ortet, dass es nur mehr wenige im Lande gibt, die bereit wären, für eine Reform des ORF auf die Barrikaden zu steigen. Daher habe er 2006, als SOS-ORF startete, gemeint: Dies sei die letzte Chance für den ORF. Und heute sagt er: „Es war die letzte Chance.“ Doch die sei nicht genützt worden.

Die Chance nicht genützt

Die resignative Ansage des bislang Streitbaren mag verwundern – und auch wieder nicht angesichts der Hiobsbotschaften der letzten Wochen: 100 Millionen Euro Defizit im laufenden Jahr, 30 Millionen im kommenden. Dass daraus Folgen wie Personalkürzungen (vermutlich bei den Jungen, dem kreativsten Humus der Anstalt), Auslagerung von Aushängeschildern wie dem RSO Wien etc. drohen, bestreitet niemand mehr.

Caritas-Präsident Franz Küberl beschönigt diese Fakten nicht. Der von den Religionsgemeinschaften in den ORF entsandte Stiftungsrat, versucht aber, die Finanzmisere der Anstalt zum Teil mit äußeren Einflüssen zu erklären: Der Werbemarkt für audiovisuelle Medien sei zusammengebrochen – auch in Deutschland. Die ORF-Geschäftsführung habe da, so Küberl kritisch, einem „zu optimistischen Ansatz“ gefrönt. Aber er bleibt dabei: Die Generalentwicklung laufe in diesem Bereich gegen den ORF. Er räumt ein, der ORF habe über viele Jahre „mit Werbung exorbitant gut verdient“. Nun kommen, das weiß auch Küberl, karge Zeiten: Der ORF müsse bei den Werbeeinnahmen „realistischer“ werden und sich darauf einrichten, seine Einnahmen „zum größeren Teil über Gebühren“ zu regeln.

Stiftungsrat Küberl erwartet daher vom ORF, dass er seine „hausgemachten Probleme“ angeht. Zusammenlegungen von Hauptabteilungen bei Radio und TV gehören da ebenso dazu wie Verschlankungen bei den Direktionen oder Einsparungen bei teuren Kaufprogrammen: „Die Nichtübernahme der Champion’s League wird nicht die letzte Maßnahme sein.“

„Der ORF ist regierungsverwandter, als er es gerne wäre“, sagt Küberl und meint damit, dass die Anstalt erst dann spare, „wenn der Hut schon glimmt“. Er erwartet sich von der Geschäftsführung Einsparungsstrategien und hofft – im Vergleich zu Peter Huemer – weiter, aber: „Wenn der ORF auch in 10, 15 Jahren der führende Medienanbieter im Land“ sein wolle, habe er einiges an Arbeit vor sich.

Gutes Programm ab 22 Uhr

„Der ORF ist, was das Programm betrifft, im Kern gesund“, gibt sich Küberl überzeugt. Die Herausforderung sei, „das Kerngesunde des ORF in die Zukunft zu denken“.

Der resignierende Peter Huemer findet da durchaus auch Positives: „Wenn man sich das Programm ab 22 Uhr anschaut – ich meine da ORF 2 –, dann ist das nicht austauschbar.“ Hier findet der einstige SOS-ORF-Initiator auch vieles vor, was er von einer öffentlich-rechtlichem Anstalt erwartet. Allerdings sei es dem ORF eben nicht gelungen, seine Bedeutung und Notwendigkeit begreiflich zu machen. Huemer: „Das Unterhaltungsbedürfnis hat über das Informationsbedürfnis gesiegt.“

Wenn es den ORF aber nicht mehr gebe, würde das einen schweren kulturellen Verlust, auch einen Identitätsverlust fürs ganze Land bedeuten. Dieser Einschätzung stimmt auch Gerald Grünberger, Geschäftsführer des Verbandes österreichischer Zeitungen VÖZ zu. Der VÖZ hat gemeinsam mit Privatrundfunk-Verbänden vor einigen Tagen erklärt, das duale Rundfunksystem in Österreich sei in Gefahr, weil sich in den Regierungsverhandlungen abzeichne, dass der ORF über Gebühr bedient werden könnte. Grünberger will das aber nicht als Gegnerschaft zur öffentlich-rechtlichen Anstalt verstanden wissen. Im Gegenteil: Der VÖZ bekenne sich zum dualen System, er verlange vom ORF aber, dass er sich an die Spielregeln halte. Er erhalte staatliche Beihilfen und bewege sich gleichzeitig am Markt. Dies alles müsse von einer unabhängigen Stelle geprüft werden. Grünberger sieht den ORF ebenfalls in einer „eher dramatischen Situation“, weil er über mehrere Jahre seine Kernkompetenz strukturell nicht angegangen sei.

Siehe auch Leitartikel, Seite 1, und Meinung, Seite 12 dieser FURCHE.

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