Die Gefahren des Landlebens

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Mit den "Jagdszenen aus Niederbayern“ hat das Wiener Volkstheater einen alten Theaterhit des fast schon vergessenen deutschen Kultautors Martin Sperr wieder für die Bühne entdeckt. Vor über vierzig Jahren begann damit der Auftakt eines neuen - kritischen - Volkstheaters rund um eine zornige junge Autorengeneration. Deren Protagonisten - wie Rainer Werner Fassbinder, Franz Xaver Kroetz oder in Österreich Wolfgang Bauer und Peter Turrini - wollten mit ihren Arbeiten den Nachkriegsmief aus Film und Theater vertreiben. Martin Sperr war damals der erfolgreichste Dramatiker unter ihnen, sein kometenhafter Aufstieg fand jedoch nach einer Gehirnblutung ein jähes Ende. Wie authentisch Sperrs Stück aus dem Jahr 1966 um Ausgrenzungs- und Gewaltmechanismen eines geschlossenen Gesellschaftssystems auch heute noch wirkt, hat die junge Regisseurin Schirin Khodadadian nun mit einer wunderbar sachlichen Neuinszenierung unter Beweis gestellt.

Mitten im niederbayrischen Nirgendwo rüstet eine kleine Dorfgemeinschaft kurz nach dem Krieg zum Kampf gegen Unmoral und Sittenverfall. Da gibt es für die bornierte Einwohnerschaft auch genug zu tun: Die verheiratete Bäuerin Maria (exzellent gespielt von Martina Stilp) lebt mit dem Kriegsversehrten Volker (Günter Franzmeier) in wilder Ehe zusammen - und damit der Verfehlungen nicht genug, sorgt auch noch ihr Sohn Rovo (Robert Prinzler) immer wieder für Aufruhr. Der schwule Abram (Simon Mantei) zeugt mit der Dorfhure Tonka (Nanette Waidmann) ein Kind, die Schuld an Abrams sexueller Neigung sucht die feixende Menge bei seiner Mutter, der Tagelöhnerin Barbara (Claudia Sabitzer). Vom Dorfklatsch bleibt niemand verschont, und wer dazugehören will, muss sich anpassen oder einen anderen finden, über den herzuziehen es sich lohnt.

Gewaltbereiter Grundton

Khodadadian konzentriert sich nicht auf die effektgeladene Brutalität, die der "Blut und Loden“-Handlung bei ihrer Uraufführung einen kleinen Theaterskandal bescherte. Vielmehr arbeitet sie den gewaltbereiten Grundton und die subtilen Beleidigungen, die am Ende Rovo in den Selbstmord und Abram zum Mord treiben werden, heraus. Das Volkstheaterensemble zeigt eine sehr gute Gesamtleistung, vor allem die Nachwuchsriege Mantei, Prinzler und Waidmann überzeugt durch ihr kraftvolles Spiel. Einzig die wuchtige Sperrholzkonstruktion und eine einfallslose Kostümauswahl sorgen für Kopfschütteln. Trotz einer wohltuend kurzen Aufführungsdauer von neunzig Minuten verlässt ein Teil des Publikums die Vorstellung bereits kurz vor Ende, der Großteil spendet jedoch begeisterten Schlussapplaus für diesen gelungenen Theaterabend.

weitere Termine

26., 28. Februar, 5., 10., 11., 13. März

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