Die Regierung muss, ob sie will oder nicht, eine Steuerlawine lostreten. Doch nun fallen auch noch wichtige Verbündete wie EU-Kommission und EZB aus.
Für die Zuhörerschaft im Bundeskanzleramt kam es unversehens und doch blieb kaum Zeit, die eine oder andere hochgezogene Augenbraue bei den Worten des Finanzministers auch in eine Frage umzumünzen – dennoch: Wie ernst muss es um die Staatsfinanzen stehen, wenn sich der Finanzminister ins Reich der Mathematik flüchtet, um den Bürgern die mehr als 560 Euro schwere Steuerkeule etwas weniger schmerzhaft erscheinen zu lassen? „Die 4,1 Milliarden sind eine Parabel-Rechnung als Maximalvariante, von der ich überzeugt bin, dass wir darunter kommen.“
Gummiball ohne Wiederkehr?
So schnell wird also die trockene Parabel, dieser Kegelschnitt, der gemeinhin die Sprungbahn eines hüpfenden Balles beschreibt, zum Sinnbild steuerlichen Wohles und Wehes. Dem praktischen Beispiel des Gummiballes folgend bewegen sich die Steuerzahler also in Richtung eines fiktiven Scheitelpunkts der Belastung: Sind es 2011 noch 1,7 Milliarden an Steuererhöhungen, klettern die Mehrleistungen an den Staat 2012 auf 1,9 Milliarden, fliegen schließlich 2013 Richtung 3,5 Milliarden und 2014 gegen 4,1 Milliarden Euro. Dabei macht nun nicht nur den Mathematiker stutzig, dass das Zahlenwerk Josef Prölls keine dem Scheitelpunkt der Kurve folgende Abwärtsbewegung beschreibt, gerade so, als wäre die steuerliche Schwerkraft aufgehoben.
Noch beunruhigender – hört man im Finanzministerium den Grund für Prölls Halb-Parabel: Man wisse eben nicht, wie es weitergehe. Das also ist die Wahrheit über den Weg aus der Krise, um die sich die Regierung nun seit ihrem Amtsantritt herumgewunden hat. Über die zu sprechen, sie sich so nachhaltig geweigert hat, dass die Leugnung selbst schon zur Posse wurde. „Das Gute ist, dass es jetzt endlich raus ist“, sagt Markus Marterbauer vom Wirtschaftsforschungsinstitut. Aber auch nach dem Eingeständnis bleibt selbst innerhalb von VP und SP die große Frage unbeantwortet: Was nun also tun?
Guter Rat scheint teuer, doch die Regierung übt sich in lieber in Koalitionsstreit. Während die ÖVP nach außen hin das „gegenseitige Ausrichten über die Medien“ (Klubobmann Kopf) leid ist, fährt der Parteiapparat im Hintergrund munter Kampflinie. Zu der von der SPÖ geforderten Abschaffung der Gruppenbesteuerung etwa werden Parolen versandt wie „SPÖ will Aus für Gruppenbesteuerung: Jeder 3. Arbeitsplatz in Gefahr“. Auf der anderen Seite poltern die SPÖ Bereichssprecher Matznetter (Wirtschaft) und Bayr (Umwelt) gegen die Ökosteuerpläne der ÖVP als „pure Abkassier-Aktion“, und der Bundeskanzler wird nicht müde, sich gegen „Massensteuern“ aufzulehnen. Und das, obwohl nicht einmal die Steuerpläne von SPÖ und ÖVP zusammengerechnet jenes Ziel von 4,2 Milliarden Euro erreichen, das der Regierung vorschwebt. Hinter den Tag für Tag abgefeuerten Salven steht aber ein weiteres Problem: Kanzler und Vizekanzler hatten auf Rückenwind aus Brüssel gehofft, um die eine oder andere Maßnahme durchboxen zu können. Das gilt vor allem für die bis 1,5 Milliarden Euro (SPÖ) veranschlagte Aktientransaktionssteuer.
Fehlende Rückendeckung
Vergangene Woche sprach sich die EU-Kommission nach monatelangem Hin und Her gegen diese Steuer aus, die laut Wifo Europas Staatshaushalten bis zu 845 Milliarden Euro bringen würde. Begründung der Kommission: „In der Realität ist es sehr schwierig, ein sinnvolle und nutzbare Unterscheidung zwischen spekulativen und nichtspekulativen Transaktionen zu machen.“ So würden etwa viele Industrieunternehmen mit Währungen spekulieren, um sich gegen Kursschwankungen abzusichern. Außerdem könnte die Regelung eine Beschränkung des freien Kapital- und Zahlungsverkehrs bedeuten. Die Brüsseler Weigerung ist deshalb so bedeutend, weil gewichtige Teile der ÖVP diese Steuer befürwortet hätten, allerdings unter der Bedingung eines gesamteuropäischen Vorgehens. Dieses scheint nun aber in weite Ferne gerückt. Markus Marterbauer vom Wifo hält den Kommissionsbericht schlicht für „ganz falsch und mit enormen fachlichen Schwächen. Das zeigt, dass es in Brüssel kein Umdenken gibt, was die Konsequenzen aus der Krise sein sollten.“ Selbst gegen die scheinbar unumstrittene Bankensteuer, die in Österreich 500 Millionen Euro bringen soll – meutert plötzlich die Europäische Zentralbank. EZB-Präsident Jean-Claude Trichet, fürchtet nun um die Stabilität der Banken, die nicht zu sehr belastet werden dürften. Was, wenn seine Meinung gängige Lehre wird?
Die Parabel – ganz anders
Da die mathematische Budget-Parabel zu allerlei Hoffnungslosigkeit führt, sei zum Schluss zur Parabel in ihrer literarischen Form gegriffen. In der Sammlung „Der reichste Mann von Babylon“ beschrieb George Clason 1926 die ewigen Leitlinien guten Wirtschaftens im Zwischenstromland. In dem Lehrgedicht „Die fünf Gesetze des Goldes“ geht es um den jungen Nomasir, der von zu Hause auszieht, um ausgerüstet mit einem Sack Gold und Tontafeln mit den Ratschlägen seines Vaters sein Glück zu machen. Das Gold ist schnell durchgebracht, doch bevor er vollends der Brotlosigkeit anheimfällt, liest der junge Nomasir die Tafeln des Vaters. Er befolgt nun seinen Rat, wirtschaftet bescheiden, spart und kehrt reich nach Hause zurück. Eine Parallele zu Josef Pröll drängt sich auf. Sein Goldsack ist so leer wie ehedem Nomasirs. Aber hat er auch die Tontafeln mit der Exit-Strategie?
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