Die gekoppelte Seligkeit

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Schon im Juni haben die katholischen Kirchenhistoriker des deutschen Sprachraumes einstimmig gegen die Seligsprechung von Papst Pius IX. (1846-78), die am 3. September stattfinden soll, protestiert. Ausgerechnet jener Papst, der - von der Gewissens- und Religionsfreiheit angefangen - vieles verteufelt hat, was heute selbstverständlich ist, und was spätestens mit dem II. Vatikanum auch von der katholischen Kirche angenommen wurde, soll Vorbild für die Kirche sein?

Nicht nur hierzulande empfinden viele die Seligsprechung als Affront: Auch die Ostkirche, die Unierten (die Pius IX. schlecht behandelte), die Altkatholiken (die sich wegen des Unfehlbarkeitsdogmas von der katholischen Kirche trennten), ja sogar irische Nationalisten, die Pius IX. ankreiden, er habe das anglikanische Großbritannien und nicht die katholischen Iren unterstützt, sind desavouiert.

Mit Recht empören sich jüdische Stimmen. Insbesondere der "Fall Mortara" (Pius IX. ließ 1858 ein ohne das Wissen seiner Eltern getauftes jüdisches Kind den Eltern wegnehmen) muss aus der Sicht der heutigen Kirche und des gegenwärtigen Papstes klar verurteilt werden. Ernst Ludwig Ehrlich, einer der jüdischen Pioniere des Dialogs mit den Christen, erklärte dieser Tage, die Seligsprechung Pius IX. würde das Verhältnis zwischen Juden und Christen in einer unerträglichen Weise belasten und alles in Frage stellen, was die Kirche in den letzten Jahrzehnten in diesem Bereich an Positivem erreicht habe.

Nach dem großen und großartigen Schuldbekenntis des Papstes im März und seiner historischen Israel-Reise stellt das Vorhaben dieser Seligsprechung einen argen Rückschritt dar. Dass hier der vatikanische Apparat zurückschlägt, ist evident.

Seligsprechungen sind weit mehr als die Beurteilung der Tugend und der privaten Frömmigkeit einer Person; es handelt sich dabei auch um ein kirchenpolitisches - im gegenständlichen Fall: verheerendes - Zeichen.

Dass die Seligsprechung Papst Johannes XXIII. am selben Tag wie jene Pius IX. erfolgen soll, verschlimmert die Sache zusätzlich. Das Unterfangen sieht nach einem römischen "Handel" aus, der die Ultrakonservativen wie die Konzilsgeneration zufrieden stellen soll. Johannes XXIII. hat diese gekoppelte Seligkeit nicht notwendig.

Und schon gar nicht verdient.

E-Mail: o.friedrich@styria.com

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