Werbung
Werbung
Werbung

Sammlung Essl zeigt: Chinesische Kunst will unter dem Vorzeichen der Globalisierung die lokalen Eigenheiten weiter pflegen.

Ku-hai yu-sheng, so heißt ein altes buddhistisches Sprichwort, mit dem die Chinesen die Anstrengungen zum Überleben in einer Welt voller Leiden beschreiben: lebendig im bitteren Meer. Ab dem Gründungsjahr der Volksrepublik China 1949 machte sich ein kommunistisches Regime unter Mao Zedong daran, dieses Sprichwort vergessen zu machen, indem es ein sozialistisches Paradies versprach. Spätestens seit der so genannten Kulturrevolution 1966 bis 1976, in der das Regime von den eigenen Schwächen abzulenken versuchte, indem es besonders Intellektuelle und Künstler verfolgte, wurde das Sprichwort vom bitteren Meer angesichts des offen wütenden Staatsterrorismus wieder zu einem geflügelten Wort. Heute regiert in Bejing noch immer eine kommunistische Führung, die allerdings nur mehr politisch den ideologischen Ton angibt; im wirtschaftlichen Bereich fährt man quasi unter der Hand den kapitalistischen Weg des Erzfeindes, der westlichen Demokratien.

Es ist wohl kaum überraschend, dass eine Ausstellung mit zeitgenössischer chinesischer Kunst diese besonderen Gegebenheiten widerspiegelt. Allerdings ist der Blick der westlichen Kunstrezipienten - der Profis wie auch des breiten Publikums - immer noch stark darauf fixiert, in dieser Kunst bloß ein politisches Aufbegehren gegen die Unfreiheit, zumal jener des kreativen Schaffens zu sehen. Viel zu lange präsentierte man in den neunziger Jahren chinesische zeitgenössische Kunst mehr oder minder unter diesen politischen Vorzeichen, zu wenig wurde dabei auf Qualität geachtet. Damit wurde aber den heutzutage in China künstlerisch Arbeitenden doppeltes Unrecht zugefügt: Einmal wurden vornehmlich jene ausgestellt, deren Protesthaltung nur allzu offensichtlich war, dafür fielen all jene durch den Rost, die nicht in dieses Klischee passten. Es freut daher den westlichen Betrachter, wenn die Schau in der Sammlung Essl sowohl politisch motivierte Werke als auch Arbeiten, die aus den persönlichen Motiven einer Einzelperson entstanden sind, unter Beachtung des Qualitätsanspruchs präsentiert werden. Denn mindestens seit den letzten 15 Jahren versucht die chinesische Lebensweise den Weg der "Glokalisierung", wie das der Kurator der Ausstellung Feng Boyi nennt, zu gehen, nämlich unter den Vorzeichen der Globalisierung die lokalen Eigenarten weiter zu pflegen.

So inszeniert beispielsweise Rong Rong auf einem Gelatine-Silber-Druck Ärzte, die zu Folterknechten mutieren. Wang Dajun lässt die Kinder auf seinen Porträts stets mit der Maschinenpistole im Anschlag auftreten, während Shao Yinong & Muchen einen völlig verloren wirkenden nackten Zweijährigen auftreten lassen, der mit skeptischem Blick den großen, in Rot beflaggten Paradeplatz inspiziert und damit ad absurdum führt. Soviel zur Politik.

Zeitgenössische chinesische Kunst räumt aber auch mit der Tradition auf, Ai Weiwei zeigt auf seiner Arbeit Study of Perspective dem Eiffelturm und dem Weißen Haus den Mittelfinger, Hong Lei und Liu Wei fotografieren als ob sie klassische chinesische Malerei betrieben. Man kann den Chinesen nur wünschen, dass ihnen das gequälte Lachen der Protagonisten in Yue Minjuns Serie Frei und Freizeit erspart bleibt.

China Now

Sammlung Essl, An der Donau-Au 1, 3400 Klosterneuburg

Bis 28. 1. 2007 Di-So 10-19 Uhr,

Mi 10-21 Uhr

www.sammlung-essl.at

Katalog: Feng Boyi, China Now. Klosterneuburg 2006, 328 Seiten, e 35,-

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung