Die große Verbergungskünstlerin

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Das öffentliche Bild von Frida Kahlo als Symbol der unbeugsamen Frau hat die historische Gestalt längst in den Hintergrund gedrängt. Die Auseinandersetzung mit ihrer Kunst wurde dadurch erheblich erschwert. Die aktuelle Schau im BA Kunstforum hält dagegen.

Der Hype rund um #Frida# hat seltsame Formen angenommen. Eine ganze Website gibt es mittlerweile, die Accessoires im Kahlo-Stil wie die warmen Semmeln absetzt. Dabei war die mexikanische Malerin bis vor einiger Zeit in kunstferneren Kreisen weitgehend unbekannt. Mittlerweile ist sie zu einer Ikone revolutionärer Haltung geworden # ihr blumenbekränztes Konterfei mit den zusammengewachsenen Augenbrauen beinahe so bekannt wie das von Che Guevara. Frida Kahlo ist aber nicht nur aufgrund ihrer kommunistischen Haltung legendär: Für viele Frauen gilt sie als Identifikationsfigur schlechthin. Spätestens seit 2003 und dem Hollywoodfilm #Frida# mit Salma Hayek in der Hauptrolle wurde die Malerin weltweit zum Symbol der unbeugsamen Frau, die sich von der damaligen mexikanischen Machogesellschaft nicht unterkriegen ließ.

Selbstinszenierungen

Längst hat das öffentliche Bild die historische Gestalt in den Hintergrund gedrängt. Aufgrund biografisch-fiktiver Bücher wurde Frida Kahlo als Person zwar immer populärer, eine ernsthafte Auseinandersetzung mit ihrem lediglich 150 Bilder umfassenden #uvre aber erheblich erschwert. Wie faszinierend die meist kleinformatigen Originale sind, lässt sich jetzt in einer Schau im Bank Austria Kunstforum nachvollziehen. Denn die gemeinsam mit dem Martin-Gropius-Bau Berlin veranstaltete Ausstellung, für die sich Besucher in Berlin bis zu acht Stunden anstellten, ist mehr als sehenswert. Nicht nur, weil sie viele Hauptwerke aus mexikanischen und amerikanischen Sammlungen zeigt, sondern auch, weil sie interessantes fotografisches Material vorstellt, das verdeutlicht, wie Kahlos Selbstinszenierungen zu ihrer Mythenbildung beitrugen.

Geboren wurde Frida Kahlo am 6. Juli 1907 in Mexiko-Stadt als Tochter eines ausgewanderten deutschen Fotografen und einer streng gläubigen Mexikanerin. Kindheit und Jugend waren schon früh von Krankheit und Schmerz überschattet. Mit sechs Jahren erkrankte sie an Kinderlähmung, als Achtzehnjährige kam sie bei einem Busunfall beinahe ums Leben. Naiv, persönlich und autobiografisch sei ihre Kunst, hieß es lange. Bilder wie #Die gebrochene Säule# (1944) sprechen aber für die Bildung von Frida Kahlo. Darauf ist eine nackte, in ein orthopädisches Stützkorsett gezwängte Frau zu sehen. Sie blickt selbstbewusst aus dem Bild # Tränen rinnen ihr die Wangen herunter und die Haut ist mit verletzenden Nägeln gespickt. In der Mitte ist der Körper aufgerissen: Eine mehrfach gebrochene ionische Säule kommt zum Vorschein. So erinnert das Bild an die Darstellungen Christi als Ecce-Homo oder Schmerzensmann, auch an die Bilder des an eine Säule gebundenen und mit Pfeilen durchbohrten Heiligen Sebastian.

Frida Kahlo war aber nicht nur die #Malerin der Schmerzen#. Sie war eine hoch politische Künstlerin, auch wenn sie selbst einmal meinte, ihre Malerei sei #nicht revolutionär#. Dass Kahlo sich in Bildern bewusst der Sprache der volkstümlichen naiven Malerei Mexikos zuwandte, ist etwa als politische Botschaft zu verstehen. Als Zeichen der Solidarität mit Mexiko und seiner Geschichte schmückte sie sich mit präkolumbischen Halsketten und Kleidern und präsentierte sich auf Bildern als #La Mexicana#.

Religiös geprägte Ikonografie

Der katholischen Kirche stand Frida Kahlo als überzeugte Kommunistin kritisch gegenüber, dennoch bezog sie sich unübersehbar auf die christliche Ikonografie. Anfang der dreißiger Jahre begann Kahlo auf Metall zu malen # und ahmte damit bewusst volkstümliche Votivbilder nach, auf denen etwa Gott, einem Heiligen oder der Mutter Gottes für eine Genesung gedankt wird. Kahlo bezog ihre Symbolsprache nicht nur aus der christlichen Religion. Genauso zentral war für sie die Symbolik der präkolumbischen aztekischen Religion. Später kombinierte sie auf Bildern diese beiden religiösen Eckpfeiler ihrer Kunst auch mit Symbolen aus östlichen Religionen. Manche ihrer späten Gemälde sprechen so an, weil sie ein visueller Versuch sind, den Ursprung des Menschen und die Glaubenssysteme zu erklären.

In Tagebüchern und Briefen bezeichnete sich Frida Kahlo, die das Maskieren und Verkleiden ihrer Person zum wesentlichen Bestandteil der Kunst erklärte, als #Verbergungskünstlerin# # als #la gran ocultadora#. Die spielerische und dennoch bitter ernste Auseinandersetzung mit ihrer eigenen Identität in Bezug auf den Körper, auf Gesellschaftsstrukturen sowie auf politische und religiöse Themen ist mit ein Grund, warum Kahlo-Ausstellungen derzeit gestürmt werden wie sonst bloß Popkonzerte.

Frida Kahlo Retrospektive

Bank Austria Kunstforum, Freyung 8, 1010 Wien

bis 5. Dezember, Mo#So 10#19, Fr bis 21 Uhr

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