Die Hand stets am Handy

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Haben Sie noch keines? Sie unwichtiger Mensch, Sie Nebochant, Sie Saboteur der drahtlosen Kommunikation! Die Dinger sind doch so billig, daß es sich nicht einmal auszahlt, wie in den Urtagen des Fernsehens eine Attrappe aufs Dach zu stellen, damit der Nachbar sie im Besitz des damals noch teuren Apparats wähnt. Oder wie in den Anfängen der Auto-Telefoniererei, als die Angeber einen toten Telefonhörer ans Ohr legten, um wichtige Gespräche vorzutäuschen. Heutzutage könnten Sie sich bestenfalls das Handy Ihres Minderjährigen ausleihen.

Ach so, natürlich haben Sie eines. Dann zeigen Sie es doch her! Wählen Sie mich an! Was sehe ich, Sie nehmen das Handy in die linke Hand und tippen mit der Rechten umständlich die Ziffern. Sie Anfänger, Sie Spätberufener! Ein rechter Handymaster braucht nur eine Hand, im Idealfall die linke, und hat die rechte für Gesten, Handgriffe und Notizen frei. Mit dem Geschick eines Gitarrevirtuosen tippt er mit den zum Halten nicht benötigten Fingern die Nummer. Tüt-tüt-tüt - und ab ans Ohr. Also das müssen Sie noch lernen. Üben Sie, üben Sie! Haben Sie denn nicht im Fernsehen gesehen, wie flott und perfekt das geht. Daheim können Sie ja noch umständlich herumtippen, aber in der Öffentlichkeit, wo das Handy wirklich was wert ist, da zählt nur die einhändige Wahl.

Und natürlich nicht diese vorsintflutlichen Modelle zum Aufklappen, fast so groß wie ein Tennisschläger. Klein und leicht muß es sein, silbrig oder golden glänzen, nicht dieses öde Büroschwarz. Als Dame wählen Sie selbstverständlich die zu Ihrem Kleid passende Deskfarbe, ein schreiendes Pink vielleicht, oder Froschgrün, oder Himmelblau. Moderne Geräte haben Wechselmasken, aber Sie müssen sich vor dem Ausgang in die Öffentlichkeit entscheiden.

Im flotten Schritt um die Straßenecke, an der Haltestelle oder in der Straßen- oder Eisenbahn wählen und telefonieren wirkt besser, als vor Auslagen oder gar in einer schützenden Hauseinfahrt. Sie wollen und müssen gesehen, aber nur ganz ungefähr gehört werden. Sie haben jene gespannte Doppelmiene zur Schau zu tragen, die einerseits auf den unsichtbaren Gesprächspartner und andererseits auf den sichtbaren Weg gerichtet ist. Auch das bedarf der Übung. Besonders beim telefonierenden Überqueren von Straßenkreuzungen.

In Lokalen ist eine gewisse Hast beim Wählen wichtig. Kaum haben Sie die Stätte betreten und den Mantel abgelegt, greifen Sie nervös zum Handy und rufen an. Damit unterstreichen Sie die Rangordnung der Wichtigkeiten. Auch bei Besuchen oder in Wartezimmern macht sich das gut. Irgendwann im Laufe der Zeit irgend jemand anrufen, das verschafft kein Image.

Aber anrufen per Handy ist überhaupt nicht der Höhepunkt. Der Höhepunkt ist vielmehr angerufen werden. Der jähe Griff zum Handy muß Perfektion verraten. Er darf einerseits nicht so schnell sein, daß das Publikum gar nicht hört, daß Sie angerufen werden, und daher die Aufmerksamkeit und Neugier sich nicht auf Sie richten kann. Andererseits dürfen Sie aber nicht so langsam sein, eventuell das tütende Handy erst suchen, daß die Anrufung als Störung empfunden wird und Sie von mißbilligenden Blicken getroffen werden. Drei bis fünf Tützeichen sind ein gesundes Mittelmaß.

Während Sie nun als Angerufener telefonieren, konzentrieren Sie sich zwar auf die empfangene Botschaft und kommentieren diese möglichst geheimnisvoll und der Wichtigkeit Ihres Ranges entsprechend, gleichzeitig aber lassen Sie ihr Umfeld nicht aus den Augen. Die unfreiwilligen Beobachter müssen den Eindruck gewinnen, daß Sie wie ein Kriegsberichterstatter zur Lage sprechen, daß also alle vorliegenden Ereignisse einbezogen sind. Unterstreichen Sie das Gespräch mit souveränen Gesten.

Die Bedeutung des Anrufes steigt mit der Entfernung des Anrufenden. Wenn Sie bloß ein Familienmitglied drei Häuser weiter anruft, ist das gar nichts gegen einen Geschäftsfreund aus Paris oder London. Am besten unterhalten Sie sich auch mit Verwandten in einer Fremdsprache.

Vergessen Sie nicht, das Handy an sich ist unwichtig. Wichtig sind Sie, das Handy ist Ausdruck Ihrer Wichtigkeit. Die Konkurrenz ist hart. Über eine Million Österreicher telefoniert schon per Handy.

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