Die heilige Johanna der unverständlichen Schrei-Schlachten

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"Die Jungfrau von Orleans“ als erste große Schauspiel-Premiere am Landestheater Salzburg: Klaus Hemmerle hat das Stück etwas unschlüssig und - vor allem am Schluss - im Gegensatz zu Schiller inszeniert.

Die 17-jährige Johanna aus Lothringen war ein Hirtenmädchen, ähnlich den Kindern von Lourdes, die im sogenannten Hundertjährigen Krieg als Jeanne d’Arc in einer für den französischen König aussichtslosen Situation 1428 dank des begleitenden Schutzes der Jungfrau Maria die Engländer geschlagen hat. Karl VII. wandte sich von Johanna ab, die in die Gefangenschaft der Burgunder geriet, von diesen an die Engländer verkauft und nach einem Inquisitionsprozess wegen angeblicher Ketzerei 1431 in Rouen auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde.

Diese historische Grundierung hat Friedrich Schiller für sein gefeiertes Drama "Die Jungfrau von Orleans“ aus dramaturgischen Gründen an vielen Stellen verlassen. Und dieses Stück ist nun als erstes großes Schauspiel der neuen Spielzeit am Landestheater Salzburg zu sehen. Klaus Hemmerle hat das Stück schlank inszeniert, ab dem vierten Akt freilich bis zum Ende ist alles etwas unschlüssig geraten, vor allem der Tod der Johanna, die er in Flammen aufgehen lässt im Gegensatz zu Schiller, der sie tödlich verwundet zeigt und mit einer visio beatifica sterben lässt. Es gibt viel Kriegslärm und einen gläsernen Schlachtkäfig, die Edlen um den König tragen zeitlos schwarze Gehröcke, für den Kampf die Brust entblößt, König Karl VII. allerdings, Christoph Wischke, wird als langhaariger Weichling im Streifenpyjama vorgeführt, seine Geliebte Agnes Sorel, Christiani Wetter, ist eher eines dieser Seitenblicke-Modepüppchen und nicht, wie im Schiller’schen Text zu lesen, eine starke, liebende Frau.

Literarischer Bildungskanon

Auf die elegante Modeseite (Kostüme und Bühne: Stefan Mayer) hat es auch Königin Isabeau, Beatrix Doderer, verschlagen, die gegen ihr Land und den Thron hetzt, aber wesentlich überzeugender in der zweiten, stummen Rolle als Todesengel agiert.

Johanna, deren himmlischer Beistand in der Wahrnehmung ihrer Umgebung in den Verdacht umschlägt, mit dem Teufel im Bunde zu stehen, spielt Claudia Carus, sehr oft sehr laut, sehr oft sehr unverständlich - eine heilige Johanna der Schrei-Schlachten. Und leider gilt von ihr wie von manch anderen Schauspielern dieser Aufführung: Offensichtlich verderben Film und TV die Sprechkultur. Man braucht in der Beurteilung dieser Inszenierung keineswegs einem grantigen elitären Dünkel anzuhängen: Dieses Drama Schillers zählt nun einmal zum literarischen Bildungskanon deutscher Sprache. Und deshalb gehört auch Sprecherziehung zu einer gelungenen Aufführung.

Weitere Termine

2., 14., 20. November, 6., 9., 10. Dezember

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