Die Ideologie der Baustelle

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Wie die Kantine einer Traktorenfirma in einem UdSSR-Nachfolgestaat hätte sie ursprünglich aussehen sollen, stattdessen ist eine Art türkisches Kaffeehaus daraus geworden: Mit seiner historistischen Cafeteria, deren Deckengewölbe mit eigens in Istanbul produzierten Fliesen geschmückt ist, setzt das Architekturzentrum Wien (Az W) einen deutlichen Akzent im sonst durchwegs modern gestylten Wiener Museumsquartier. Nach Monaten des Umbaus öffnet das auf 2.000 Quadratmeter angewachsene Az W diese Woche wieder seine Pforten - mit der Eröffnung der kultverdächtigen Cafeteria und der Ausstellung "Sturm der Ruhe. What is Architecture?".

In den acht Jahren seit seiner Entstehung hat sich das Az W als die erste Adresse der Architektur in Österreich etabliert: Die Leistungen der Architektur einer breiten Öffentlichkeit zu vermitteln, die nationale Architekturgeschichte einer kritischen Reflexion zu unterziehen, die nationalen Leistungen im Ausland zu verbreiten und sich vor Ort an den internationalen Architekturdebatten zu beteiligen - das sind die selbstgestellten Aufgaben, denen das Az W in der Vergangenheit trotz ständiger Raum- und Geldnot dank professionellem Auftreten mehr als gerecht wurde. "Im Ausland dachten alle, wir wären eine etablierte Institution", erinnert sich Dietmar Steiner, Leiter und Gründer des Az W, schmunzelnd an die Anfänge.

Die Geschichte des Architekturzentrums ist eine Geschichte der Improvisation, seine Ideologie ist die "Ideologie der Baustelle": 1993 besetzte das ein Jahr zuvor gegründete Az W nach einer Zusage des damaligen Wiener Planungsstadtrates kurzerhand Räume, von denen eine Magistratsabteilung behauptete, sie als Lager zu nutzen. Die in Wahrheit verlassenen und völlig desolaten Räumlichkeiten wurden von ihren Einbauten befreit und das nackte Mauerwerk freigelegt. In diesem Zustand präsentiert sich die "Alte Halle" des Az W auch heute noch: "Die Räume eines Zentrums der Architektur dürfen keine architektonische Handschrift tragen, weil sie permanent Hintergrund für andere Architekturen sein müssen", erklärt Steiner. "Nur im Architekturzentrum wird in Zukunft noch spürbar und erkennbar sein, wie die alte Substanz einmal war", sagt der Architekt - im Gegensatz zum Rest des Museumsquartiers, das im Zuge der Totalrenovierung auf Hochglanz poliert und seiner "historischen und inzwischen vergammelten Spuren beraubt" worden sei.

Mit einer Tageskarte kann man sich ab dieser Woche Zutritt zu den beiden Ausstellungshallen verschaffen, dazu kommen später noch die Bibliothek und das Archiv, die nicht termingerecht fertiggestellt werden konnten. In der offenbar etwas schwierigen Eröffnungsausstellung geht es um "33 Situationen, die auf bestimmte Dimensionen der Architektur hinweisen", der Pressetext verspricht auch, dass "der Raum selbst mit sinnlichen Aggregaten vielfältig erlebbar" gemacht werde. "Das ist eine riskante Geschichte", gibt Steiner zu: "Natürlich hätten wir auch eine Ausstellung machen können. ,Die schönsten Häuser der Welt'." Ob das Konzept der vom Architektenduo Eichinger oder Knechtl gestalteten Ausstellung aufgeht, würden die kommenden Tage zeigen, meint Steiner: "Die Gefahr besteht, dass es in eine Kunstausstellung kippt."

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