Die innigste Liebesbeziehung

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„Maria lactans – Die Stillende in der Kunst“ im Dommuseum Wien: Die den Menschensohn stillende Gottesgebärerin Maria ist Mittelpunkt der aktuellen Ausstellung. Zahlreiche Künstler versuchten sich darin, diese intime Verbindung zwischen Mutter und Sohn abzubilden.

Eine Empfehlung für die Weihnachtsferien: Der Besuch im Wiener Dommuseum, wo in einer Sonderausstellung mit dem Titel „Maria lactans – Die Stillende in der Kunst“ durch siebzig Objekte ein entscheidender Augenblick im Leben eines jeden Menschen dargestellt wird: stillen und gestillt werden – als absoluter Gegenpol von Gewalt. „Maria lactans“, die dem Jesuskind Milch gebende Mutter, wird seit Jahrhunderten in der katholischen Kirche als Ausdruck der hingebungsvollen, Leben spendenden Liebe verehrt. Was jedem Säugetier als Instinkt gegeben ist, hat die Menschen schon lange vor dem Aufkommen des Christentums zu bildlichen Darstellungen angeregt. So stehen am Anfang der Ausstellung im Dommuseum kleine altägyptische Figuren der Göttin Isis, die ihren Sohn Horus stillt.

Populär ab dem 16. Jahrhundert

Die frühesten Zeugnisse aus dem Christentum stammen aus dem koptischen Ägypten, wo der Urtypus dieses Themas übernommen wurde. Viele Beispiele aus dem ersten christlichen Jahrtausend gibt es nicht. Erst durch den Konzilsbeschluss von 431 wurde Maria die Würdebezeichnung „Gottesgebärerin“ zuerkannt, was die Tür öffnete zur eigenständigen künstlerischen Gestaltung dieses Sujets. Populär wurde dieses im 16. Jahrhundert, als zahlreiche Künstler versuchten, eine nackte Brust Mariens und ein saugendes Kind zu malen. Ein zentrales Bild der Ausstellung aus der Werkstatt Lucas Cranachs des Älteren hat zum ersten Mal seit Jahrhunderten das Wiener Kapuzinerkloster verlassen: Vor zirka 500 Jahren entstanden, zeigt es eine prächtig gekleidete junge Frau mit langen blonden Haaren vor lichtdurchfluteter Landschaft mit Bergen, Burgen und Brücken. Sie gibt einem ausgesprochen hässlichen Baby die rechte Brust. Wie dessen Wurstfingerchen die Brust greifen und streicheln und sich ins Fleisch der Mutter einkrallen! Auf einem anderen Bild lässt die Madonna einen Buben, der vielleicht schon drei Jahre alt ist, noch an die Brust, während sie in einem Buch liest (Theodor van Thulden, 1. Hälfte des 17. Jh.). Die Maler kämpften offenbar mit Schwierigkeiten: Nicht Realismus war ihr Ziel – sie malten nicht Frauen in richtiger Stillhaltung – sondern die Innigkeit der Beziehung zwischen Mutter und (Gottes) Kind. Muttermilch heilt wie ein geistiger Gnadenstrom. Das behaupten Bilder, auf denen Maria dem hl. Bernhard von Clairvaux oder dem hl. Augustinus ihre Milch in einem Strahl in den Mund spritzt.

Anstößig im 19. Jahrhundert

Frauen pilgerten Jahrhunderte lang zu Gnadenbildern der Madonna. Nach überstandenen Gebärmutterleiden brachten sie ihr als Votivgaben sogenannte Gebärmutterkröten aus Wachs oder Blei: Das Böse, Hässliche in Gestalt der Kröte hatte sie verlassen.

Unbedeckte Frauenbrüste in Klöstern: Das schien geistlichen Herren im 19. Jahrhundert anstößig. So dokumentiert die Ausstellung auch übermalte Marienbrüste. Einen Höhepunkt im Dommuseum bildet Pablo Picassos Lithografie „Mutterschaft“ aus dem Jahr 1963. Mit sparsamen weichen Linien entsteht ein Bild der Symbiose zwischen Mutter und Kind, der Wärme, der tiefen Vertrautheit erfahrenen Lebens mit neuem. Souveräne Erfahrung bewies schon Maria Theresia, die einer Bettlerin in Schönbrunn den schreienden Säugling abnahm und ihn hinter einem Busch beruhigte, was zu einem Skandal bei Hof führte, den die Herrscherin gelassen abtat. Es ging nämlich das Gerücht, sie habe das Kind der Bettlerin an die eigene Brust genommen.

Fast zwei Drittel der im Dommuseum ausgestellten Objekte stammen aus der Sammlung des vor genau zwanzig Jahren verstorbenen österreichischen Kinderarztes Hans Czermak. Ihm verdankt unser Land, dass das Gewaltverbot in der Erziehung im Österreichischen Familienrecht gesetzlich verankert wurde. Er war ein Pionier der Stillförderung in still-unlustiger Zeit, als Babynahrung jenseits der Muttermilch für zeitgemäß und modern gehalten wurde. Czermak wusste längst, was heute wissenschaftlich untermauert ist: Bis ins Erwachsenenalter haben brustgestillte Kinder ein geringeres Risiko für Übergewicht, Bluthochdruck und Diabetes. Von der Erfahrung mütterlicher Wärme ganz zu schweigen. Der britische Historiker des 18. Jahrhunderts, Edward Gibbon, gab in seiner monumentalen „History of the Decline and Fall of the Roman Empire“ als eine der Hauptursachen für den Zerfall des römischen Weltreichs an, dass es damals unmodern geworden sei, Babys zu stillen. Czermaks Sammlung von künstlerischen Gestaltungen stillender Mütter ist mehr als eine Kunstsammlung. Sie macht den Frauen Mut, auf die Natur zu vertrauen.

Maria lactans – Die Stillende in der Kunst

Dommuseum Wien, Stephansplatz 6

bis 27. 2. 2010, Di–Sa 10–17 Uhr

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