Die Jagd nach neuen Partikeln

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27 Kilometer misst der unterirdische Ringtunnel des derzeit schnellsten und stärksten Teilchenbeschleunigers der Welt, des "Large Hadron Colliders"(LHC) im CERN bei Genf. Dieses Wunderwerk der Technik wird oft als "Weltmaschine" bezeichnet, denn dort wird an etwas sehr Grundsätzlichem geforscht: den kleinsten Bestandteilen der Materie und dem Aufbau des Universums. Im Ringtunnel werden zwei Teilchenstrahlen, in der Regel bestehend aus Paketen mit Milliarden von Protonen, in konträrer Richtung fast auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt. Diese werden dann in kürzesten Abständen - alle 50 Nanosekunden - frontal zur Kollision gebracht. Mit dem stufenweisen Neustart des Beschleunigers seit April 2015 prallen die Teilchen nun mit bislang unerreichter Wucht aufeinander. Die erreichten Energien entsprechen dem Milliardenfachen der Temperatur im Inneren der Sonne. Mit der Steigerung der Energie werden in jeder Kollision mehr Partikel produziert. Ebenso wird auch die Zahl der Teilchenpakete erhöht, was eine höhere Wahrscheinlichkeit für das Eintreten einer Kollison bedeutet. Derzeit prallen im LHC Bleikerne aufeinander, so dass für Sekundenbruchteile ein einzigartiger Materiezustand (Quark-Gluon-Plasma) entsteht. Je heftiger und häufiger die Teilchen kollidieren, desto eher könnten bislang unbekannte Partikel im Visier der Forscher auftauchen. Als mögliche Entdeckungen werden etwa neue Arten von Higgs-Teilchen oder sogar zusätzliche Dimensionen diskutiert, wie sie von der String-Theorie vorhergesagt sind. Von den Experimenten am CERN werden nicht zuletzt neue Hinweise auf die Eigenschaften der dunklen Materie erhofft.

DIE FURCHE

28. Mai 2009 Nr. 22

Österreich bleibt also bei CERN. Gut so.

Von Hans Tuppy

Gut so, dass die ministeriell kundgetane Absicht, die Mitgliedschaft Österreichs beim Europäischen Kernforschungszentrum CERN zu kündigen, fallen gelassen wurde. Somit ist die Mitwirkung der österreichischen Wissenschaft an den Forschungen des CERN, die mit gewaltigem Einsatz, vor allem mit Hilfe mächtiger Teilchenbeschleuniger und -detektoren den Aufbau der Materie aus ihren "elementarsten", kraftvoll verknüpften Teilen ergründen, gerettet - wenigstens für die nähere Zukunft.

Bei der Entscheidung über die weitere Mitwirkung Österreichs am CERN war zu bedenken, was der CERN für Europa und speziell für Österreich im europäischen Kontext bedeutet hat und weiterhin bedeutet. Die Errichtung des Forschungszentrums bei Genf - kaum ein Jahrzehnt nach Ende des Zweiten Weltkriegs - und seine Entwicklung, an der unser Land seit 50 Jahren beteiligt ist, haben sich als eine Erfolgsstory erwiesen; sie setzte ein weit über die Forschung hinaus sichtbares und ermutigendes Zeichen: Europäische Länder, die einander in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in furchtbaren Auseinandersetzungen kriegerisch begegnet waren, zeigten sich imstande und bereit, miteinander zu kooperieren, friedlich, konstruktiv, zielstrebig und effektiv. Wie die ambitionierten Forschungen des CERN schon vor Beginn der EU-Programme gezeigt haben, können europäische Kooperationspartner große Herausforderungen, die zu bewältigen die einzelnen Länder -vor allem die kleineren unter ihnen - überfordert, gemeinsam annehmen, und als Ergebnis vereinter Anstrengung Spitzenleistungen erzielen [...].

Das Standardmodell der Teilchenphysik hat einen hohen Erkenntniswert; zu seiner Bestätigung und Komplettierung bedarf es jedoch noch des experimentellen Nachweises eines grundlegenden wichtigen Elementarteilchens, des "Higgs-Bosons". Mit Hilfe des am CERN errichteten, weltweit leistungsstärksten Teilchenbeschleunigers, des LHC (Large Hadron Collider), sollte es möglich sein, seiner "habhaft" zu werden [..].

Wird uns die Erkundung neuer Teilchen und ihrer Beziehung zueinander dem schon von Einstein und Heisenberg erträumten Ziel einer Vereinheitlichung aller Naturkräfte näherbringen, einer Rückführung auf eine einzige Urkraft, wie sie vor 14 Milliarden Jahren unmittelbar nach dem als Big Bang bezeichneten explosiven kosmischen Ereignis existiert haben könnte, bevor aus ihr die Mehrzahl der physikalischen Kräfte hervorging?

Das sind faszinierende Denkansätze und Forschungsziele -faszinierend auch dann, wenn durch sie die philosophische und theologische Frage nach dem Existenzgrund der Welt und des Denkens noch gar nicht gestellt ist.

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