Die Kamera als Mörder

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Ein Stück von Thomas Glavinic mit Thomas Maurer im Wiener Rabenhof.

Medienkritik, Massenhysterie und Sensationsvoyeurismus multiplizieren sich auf der Bühne des Rabenhofs. Der Kabarettist Thomas Maurer hat zusammen mit Anatole Sternberg Thomas Glavinics Roman "Der Kameramörder" dramatisiert. Ein unbekannter Täter zwang Kinder in der Weststeiermark, sich vor laufender Videokamera umzubringen. Für diese Grausamkeiten gibt es kein Motiv.

Der Ich-Erzähler ist mit seiner Lebensgefährtin vor Ort: Bei Freunden verbringen sie ein gemeinsames Wochenende und verfolgen über die Fernsehberichterstattung die Suchaktionen. Es ist die Lust am Voyeurismus, der wir alle auf perfide Weise in die Falle gehen. Wie schnell das passiert, zeigt Regisseur Sternberg. Er hat einen Film mit Leerstelle daraus gemacht: Die Position des Ich-Erzählers bleibt unbesetzt, sie wird von Maurer - er steht allein auf der Bühne - kommentiert. Im nüchternen Protokollstil macht Maurer aus dem Monolog eine Tour de force der globalen Massenhysterisierung. Sein Blick ist der Fokus der Kameralinse, und sie ist der Täter.

Emotionslos werden die Perspektiven gewechselt, von der Totalen wird in die Nahaufnahme gezoomt, nie unmittelbar interpretiert. Der Mörder wird zum imaginären Zentrum sämtlicher Spekulationen. Die Szenen der Handlung werden von den Nachrichtenbildern bis hin zum gesendeten Mordvideo überlagert, Snuffmovies (gefilmte reale Morde) lösen die Katastrophennachrichten ab, bis alles nur mehr Reality-tv ist. Eine ungewöhnliche Satire über die Medialisierung des Ich in der Post-Postmoderne, eine gelungene Dramatisierung, wenn auch nichts für Zartbesaitete.

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