Die Komödie als Erstversuch

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Bislang war Fatih Akin, deutsch-türkischer Berlinale-Sieger 2004, vor allem auf Arthaus-Filme abonniert. Nun probiert er mit „Soul Kitchen“ das leichte Genre aus. Kein leichtes Unterfangen, wie er im Interview gesteht. Das Gespräch führte Matthias Greuling

Der deutsch-türkische Regisseur Fatih Akin bringt mit „Soul Kitchen“ seine erste Komödie ins Kino. Er erzählt im Interview, warum dies sein bislang schwierigster Film war.

Die Furche: Herr Akin, mit „Soul Kitchen“ zeigen Sie eine Komödie, die viel leichtfüßiger wirkt als Ihre Dramen „Gegen die Wand“ oder „Auf der anderen Seite“. Hatten Sie genug vom Arthaus-Film?

Fatih Akin: Ich war der Sklave meines eigenen Erfolges. Ich hatte zwei seriöse Filme, die international erfolgreich waren, und auf einmal war ich selbst so fixiert und dachte: Ich muss das jetzt fortsetzen, um den Erfolg zu halten. Aber das wäre furchtbar langweilig. Ich wollte diese Komödie machen, von Herzen. Um auszuprobieren, ob ich das kann. Ich wollte als Regisseur wachsen. Man wächst nur, wenn man Sachen ausprobiert. Ich finde Regisseure langweilig, die mit einem gewissen Stil Erfolg haben und das dann bis zum Ende ihrer Karriere wiederholen. So möchte ich nicht sein.

Die Furche: Zugleich sagten Sie aber, „Soul Kitchen“ sei für Sie der bislang schwierigste Filme gewesen. Woran liegt das?

Akin: Das lag erst mal an den Figuren. Wir hatten 15 Sprechrollen und mussten versuchen, eine Balance zu halten. Bei „Gegen die Wand“ war es eine Zweierkonstellation, bei „Auf der anderen Seite“ gab es immerhin sechs Figuren, die aber immer nur in Zweierkonstellationen agieren. Bei „Soul Kitchen“ hast du in einer Szene, manchmal sogar nur in einer Einstellung, den Koch, den Gast, den Kellner, die Kellnerin, den Restaurantbesitzer und so weiter. Ich musste versuchen, in einer Einstellung alle diese Figuren zu erzählen – und das ist technisch sehr schwierig zu konstruieren. Dieses Konvolut an Figuren möglichst ökonomisch zu erzählen, hat mich verrückt gemacht. Außerdem ist eine Komödie viel komplizierter zu machen als ein Drama.

Die Furche: Wieso?

Akin: Wenn zum Beispiel eine Schauspielerin in der Rolle einer Mutter den Tod ihres Kindes beklagen muss, dann drehst du drei Takes, lässt sie alle Emotionen und Tränen da rein legen, und beim vierten Take hast du’s. Da kannst du auch nicht fünf oder zehn Takes machen. Aber bei der Komödie hängt so vieles vom Timing ab. Alles muss stimmen: der Dialog, der Gestus und dann auch noch visuell: Denn die Kamera bewegt sich ständig. Auf einmal fand ich mich in der Situation, 20, 30, ja 50 Takes zu drehen! Ich hatte zuvor über Chaplin gelesen, dass er oft 100 Takes drehte, ehe er zufrieden war. Auf einmal wusste ich, warum. Weil Komödie von so vielen verschiedenen Faktoren abhängt.

Die Furche: Wie hat sich das auf den Dreh ausgewirkt?

Akin: Es war gleich von Anfang an klar, dass wir es nicht in den veranschlagten 33 Drehtagen schaffen würden. Da ich aber mein eigener Produzent war, verlangte ich von mir einfach zehn Drehtage mehr. Das hat den Film natürlich teuer gemacht. Die Komparsen müssen ernährt und angezogen werden. Ständig habe ich Essen im Bild, das muss heiß aussehen und dampfen. Zwei, drei Takes, und das Essen ist kalt. Heißt: Halbe Stunde warten, bis das Essen wieder warm ist. Dieser Dreh war sehr anstrengend. Aber man sieht es dem Film zum Glück nicht an.

Die Furche: Das stimmt. Die Leute bei der Premiere haben gejubelt.

Akin: Bei der Weltpremiere auf dem Festival von Venedig, kam „Soul Kitchen“ sensationell gut an. Ich war ganz überrascht, wie dankbar das Publikum auf die Komödie reagierte. Aber es ist klar, dass sie Komödien mögen. Schließlich haben die ja Berlusconi an der Macht, da ist man das Lachen gewöhnt.

Die Furche: Haben Sie nach „Soul Kitchen“ nun einen eigenes Verständnis für Humor und Komödien entwickelt? Werden wir weitere Komödien von Ihnen sehen?

Akin: Ich habe noch keinen eigenen Humor. Ich entdecke ihn erst. Da Komödien so schwierig sind, werde ich wohl kaum eine nach der anderen drehen. Alle zehn Jahre vielleicht. Da ich nicht weiß, was witzig ist, orientierte ich mich an Vorbildern. Was finde ich selbst witzig? Die Coen-Brüder. Urkomisch. Jarmusch. Ganz toll. Chaplin und Buster Keaton. Lubitsch, Billy Wilder. Alles, was mich zum Lachen bringt, versuchte ich, patchworkmäßig und hiphopmäßig zusammenzubringen. Zu samplen und es mit der eigenen Sozialisation zu verbinden. Musik war mir dabei besonders wichtig: Ich habe immer davon geträumt, einen Film zu machen wie ein DJ-Set. Ich lege ja auch immer wieder auf – früher mehr als heute – und da wollte ich versuchen, einen Film zu machen, bei dem die Tracks ineinander übergehen. In diesem Mix sollte der Zuschauer gar nicht merken, wenn ein neuer Track beginnt.

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