Die Malerin der Dunkelkammer

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Das Kunst Haus Wien zeigt eine vielseitige Retrospektive des Fotografen-Paares Lillian Bassman und Paul Himmel - beide waren ihrer Zeit weit voraus. Bis 8. März wurde die Ausstellung jetzt verlängert.

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Das Kunst Haus Wien zeigt eine vielseitige Retrospektive des Fotografen-Paares Lillian Bassman und Paul Himmel - beide waren ihrer Zeit weit voraus. Bis 8. März wurde die Ausstellung jetzt verlängert.

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Sind es Fotos, Gemälde oder Kohlezeichnungen? Bei zahlreichen Fotografien von Lillian Bassman ist man sich nicht sicher. Vieles ist radikal verfremdet, verwischt, Konturen sind verschwommen. Fotos zu bearbeiten ist heutzutage täglich Brot, doch die Arbeiten, die im Kunst Haus Wien gezeigt werden, stammen von einer 1917 geborenen US-Fotografin, deren Stil einzigartig ist und bis heute nichts an Modernität eingebüßt hat.

Man kann sich kaum vorstellen, dass die präsentierten Fotos teils in den 50ern und 60ern entstanden sind. Durch spezielle experimentelle fotografische Verfahren machte Bassman in der Dunkelkammer aus ihren Ursprungsfotos gänzlich andersartige Kunstwerke, denen man ansieht, dass sie eigentlich Malerin werden wollte. Ihren Blick schulte sie an den Alten Meistern im Metropolitan Museum of Art in New York. Ihre Vorbilder waren Vermeer, Caravaggio, Bellini, Giotto und andere. Doch sie fand, Malerei dauerte zu lange, und wandte sich auch auf Anregung von Alexey Brodovitch, dem künstlerischen Leiter von Harper's Bazaar, dessen Assistentin sie wurde, der Fotografie zu. Dabei arbeitete sie oft lange Zeit an einem Foto.

Nach dem ersten Entwickeln kamen in ihrer Dunkelkammer Bürsten, Wischer, Säure, Textilien, Schablonen und vieles mehr zum Einsatz. "Ich ließ meine Finger so tun, als ob ich malte", sagte sie selbst. "Für mich war die Arbeit in der Dunkelkammer wie Malerei." Kontraste wurden verstärkt, aus Bassmans Sicht Unwichtiges wurde entfernt, neue Schattierungen entstanden.

Die Ausstellung im Kunst Haus Wien zeigt nicht nur die imposanten Ergebnisse von Bassmans Arbeit, sondern auch den Entstehungsprozess, beispielsweise anhand eines Fotos in fünffacher Ausführung mit kleinen Abweichungen oder anhand von Kontaktbögen der Originalfotos.

In einer Männerwelt durchsetzen

Die Themen von Bassmans Werk sind vielseitig -vor allem aber war sie von Mode fasziniert und strich auf ihre unkonventionelle Art und Weise immer jene Dinge, die für sie im Fokus waren, heraus. Einmal ist nur der gewagte Rückenausschnitt scharf zu sehen, einmal bleibt überhaupt fast nur mehr der Rüschenrock von dem Foto des Models übrig. Sie konnte sich für lange Hälse und schwanengleiche Modelle begeistern, denen sie von hinter der Kamera zurief: "Streckt euren Hals mehr, noch mehr, noch mehr".

Gerne betonte sie durch die Arbeit in der Dunkelkammer elegante Linien, scharfe Kanten waren nicht das Ihre - sie rundete alles ab, auch dadurch bekamen ihre Fotos eine malerische Anmutung. Lange Zeit arbeitete sie als Art Direktorin für Junior Bazaar, einem Ableger von Harper's Bazaar, und konnte sich in einer Männerwelt durchsetzen.

"Sie ist für mich unerreicht, niemandem ist es gelungen, so zu arbeiten wie sie", sagt Kuratorin Brigitte Woischnik zur FURCHE. "Natürlich wird heute sehr viel bearbeitet, aber niemand hat eine solche künstlerische Vision wie Lillian Bassman. Sie war so unglaublich kreativ, so mutig, Dinge auszuprobieren, ein Foto wurde nicht so akzeptiert wie es war". All dies gilt auch für ihren Ehemann Paul Himmel, mit dem sie mehr als 70 Jahre verheiratet war, der ebenfalls Fotograf war und dessen Werk in der Ausstellung mit Bassmans gemeinsam gezeigt wird. "Was beide eint, ist die Bewegung -bei Paul Himmel ist es die Bewegung im Werk, bei Lillian Bassman ist es jene, die sie im Labor erzeugt", so Woischnik.

Himmel wurde vor allem für seine Fotos von Tänzern des New York City Balletts bekannt, er hat dabei die Bewegungen der Tänzer durch Langzeitbelichtungen als Unschärfen festgehalten. Zwar nahm er an der legendären Wanderausstellung der 50er, "The Family of Man" teil, "doch er war seiner Zeit in seiner Arbeitsweise zu sehr voraus und schloss sein Studium ab, um als Psychotherapeut zu arbeiten", sagt Woischnik. Aus seinem vielseitigen Werk zeigt das Kunst Haus Wien auch New Yorker Straßenbilder, Arbeiten mit Solarisationsverfahren, solche mit Giacometti-artigen Figuren sowie eindrucksvolle Zirkusbilder. Den Abschluss der Schau machen Fotos aus dem Leben des Künstlerpaares, ein Leben, das sie einer Fotografie gewidmet haben, die in ihrer Modernität für ihre Zeit mehr als erstaunlich ist.

Lillian Bassman & Paul Himmel - Zwei Leben für die Fotografie

Kunst Haus Wien bis 8. März 2015, täglich 10-19 Uhr

www.kunsthauswien.com

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