Die neue Kuh

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Der Roman als bittere Frucht einer kurzen Liebesgeschichte.

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Der Roman als bittere Frucht einer kurzen Liebesgeschichte.

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Manche Liebesgeschichte muß man als Übermalung lesen: Zuoberst steht wortreich Ablenkendes, darunter, knapp und fast ausradiert, ist das Erlebte zu erkennen. Der Debüt-Roman der Amerikanerin Laura Zigman "Alte Kuh - Neue Kuh" ist so eine Überschreibung. Die eigentliche Geschichte ist nur ein paar Seiten lang. Zwei Singles, Jane und Ray, Anfangsdreißiger, fallen plötzlich in Liebe und wissen nicht warum: Keiner ist des anderen Typ. Und doch ist die Liebe tief, als gäbe es jenseits des Typus noch ganz andere Resonanzen. Ein kurzer, traumhafter Hochsommer in New York, Reisepläne, Lebenspläne. Im Buch wird da abgeblendet: "Paarungsszene gestrichen". Dann aber geht dem Ray die Liebe so plötzlich aus, wie sie gekommen ist, und diesmal weiß bloß Jane nicht, warum. Warum, warum? So endet die Kerngeschichte.

Die erste dicke Malschicht drüber zeigt das Getriebe der New Yorker Angestellten-Society: Hektik in den Redaktionen, in denen beide arbeiten, das permanente Telefon-Gossip der Freundinnen mit dem brühwarmen "kiss and tell", der schwule Freund als Intimberater Janes, quirlige Wochenenden an der Küste, Halloween-Parties, ständiger Wechsel von Wohnung und Beziehung, der neurotisierende Lebensstil der Megametropole. Verständlich, daß die sensible Liebe Janes in dieser Gesellschaft nicht gedeiht. Sie liefert ihr nur alte Redensarten: "Er ist abgeschwirrt ... hat dir den Laufpaß gegeben ... hat dich sitzenlassen" und den Rat: "Such dir einen neuen Freund".

Jane schützt sich passiv durch Bitterkeit, die Autorin übt wieder Selbstzensur: "Heulszene gestrichen". Den kräftigsten Stoff zur Übermalung ihres Unglücks findet Jane selbst in der Verhaltensforschung: "Stiere zeigen einen unverkennbaren Widerwillen dagegen, ein und dasselbe Weibchen mehrfach zu begatten ... Ein einzelner Stier wird sich jede verfügbare Kuh vornehmen, und diejenigen verschmähen, mit denen er schon sexuell verkehrt hat ..." Das paßt famos auf ihren Fall. Jetzt wird sie aktiv, schleppt alles über das Paarungsverhalten von Schimpansen, Zwerglemuren und Laubenvögeln an und belegt den natürlichen Machismus. Kronargument: "Nur drei Prozent aller Säugetiere gehen eine lebenslange Partnerbindung ein." Methodischer Einwand ihrer Telefonfreundin: "Man kann doch nicht so ohne weiteres von Tieren auf Menschen schließen". Schnelle Antwort: "Warum nicht?"

In einer Männerzeitschrift gibt sie sich als Fachfrau für Andrologie aus und präsentiert pokergesichtig eine Satire als Wissenschaft, die Neue-Kuh-Theorie: "Traurige Tatsache ist, daß Männer Frauen verlassen und nie mehr zurückkommen, weil sie nämlich immer nur das eine wollen: eine Neue Kuh." Die Logik frappiert: Das verfänglich Sympathische am Mann (Schüchternheit, Häuslichkeit) ist nur Mimikry für seinen Narzißmus, der "nach immer neuer Zuwendung giert" und sich "blindlings von einer Neuen Kuh zur andern hangelt" - die Evolutionsstrategie des polygamen Gens im Mann. Jane erntet großen Publikumserfolg. Immerhin erhalten ihre Leser nützliche Hinweise auf neuere, post-Lorenz'sche Evolutionsbiologie, etwa Richard Dawkins Buch "Das egoistische Gen". Jane jedenfalls glaubt halbernst an ihr Gebräu, fühlt sich in ewigen Gesetzen etwas geborgen und seufzt vereint mit der gesamten Kreatur. Ihr Schmerz läßt nach.

Doch kaum veröffentlicht, falsifiziert sich die schöne Theorie: Ray taucht mit einer früheren Kuh auf, ist also zurückgekehrt, nur eben nicht zu ihr, Jane. Doppeltes Herzeleid. Das Buch endet ratlos-ehrlich, durch alle Übermalung schlägt Erlebtes durch. Man amüsiert sich dabei gar nicht so gern, denn die verlassene Jane läßt sich im Grund nicht ablenken, "weil ich ihn immer noch liebe", wie am Schluß, im Urtext, zu lesen. Die traurige Wirklichkeit ist stärker als die witzige Satire.

ALTE KUH - NEUE KUH Roman von Laura Zigman Übersetzung: Sabine Lohmann.

Goldmann Verlag, München 1998.

287 Seiten, geb., öS 291,

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