Meditation Yoga - © Florian Zwickl

Google: Die Entdeckung der Achtsamkeit

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Mit globalen Konferenzen will Google die "Achtsamkeitskultur" in der Wirtschaftswelt fördern. Doch nicht jeder ist von der trendigen Veranstaltungsreihe begeistert: Warum der Meditationslehrer Christopher Titmuss dem Google-Konzern eine Abfuhr erteilte.

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Mit globalen Konferenzen will Google die "Achtsamkeitskultur" in der Wirtschaftswelt fördern. Doch nicht jeder ist von der trendigen Veranstaltungsreihe begeistert: Warum der Meditationslehrer Christopher Titmuss dem Google-Konzern eine Abfuhr erteilte.

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Es sind Papageien-artige Vögel mit einem schnoddrigen Singsang, die in Aldous Huxleys letztem Roman "Eiland" (1962) eine wichtig Rolle spielen. Sie erinnern die Bewohner eines tropischen Inselstaates daran, inmitten der alltäglichen Geschäftigkeit eine wesentliche Tatsache nicht aus den Augen zu verlieren: Das Leben ist endlich, jeder Augenblick kostbar -und sich zu bemühen, möglichst bewusst und achtsam durch die Welt zu gehen, kann der Schlüssel zu einem erfüllten Leben sein. "Gib acht!", krächzen die Myna-Vögel von den Bäumen, oder auch "Hier und Jetzt!" Mit "Eiland" hat der englische Schriftsteller eine positive Utopie als Vermächtnis hinterlassen, und die Übung von Achtsamkeit wird darin in allen Lebens- und Gesellschaftsbereichen hoch gehalten.

Knapp fünfeinhalb Jahrzehnte nach Huxleys visionärem Roman sind die Myna-Vögel tatsächlich real geworden: Sie ertönen mit digitalem Zwitscherton und erscheinen als Vogel-Icon auf dem Computer oder Smartphone der Apple-User. Der "Mindful Mynah" ist nur eine von vielen Achtsamkeits-Apps, die heute bereits angeboten werden. Eine weitere ist "Buddhify2" - ein wahrer Allrounder, wenn es darum geht, geführte Achtsamkeitstrainings für die unterschiedlichsten Lebenssituationen parat zu haben, vom Frühstück bis zum Schlafengehen.

"Ganzheitliche Technologien"

Die "Buddhify-"App stammt von einem jungen Briten, der versucht, die meditative Achtsamkeitspraxis mit ihren buddhistischen Wurzeln für die hektische digitale Welt des 21. Jahrhunderts zu adaptieren: Rohan Gunatillake ist Buchautor (soeben ist seine Anleitung "Buddhify Your Life" auf Deutsch bei O.W. Barth erschienen) und versteht sich selbst als "Achtsamkeitsunternehmer": jemand, der "ganzheitliche Technologien" und Produkte entwirft, damit man "innere Präsenz im äußeren Chaos bewahren" und mit jedem Augenblick so umgehen kann, "dass möglichst viel Bewusstheit, Ruhe und Verbundenheit entstehen". In seinen mit Bescheidenheit nicht unbedingt gesegneten Internet-Einträgen verrät er der Mitwelt, dass es eine "seltsame Spannung" gibt zwischen seiner beruflichen Tätigkeit, welche die Achtsamkeit für Anfänger schmackhaft machen soll, und seiner eigenen Praxis, die sich "mehr am tiefen (i.e. fortgeschrittenen) Ende des Spektrums" bewegt.

Zählt Gunatillake zu einer kleinen Avantgarde von Computer-Freaks, die den Boden dafür bereiten, um Huxleys Vision in großem Stil umzusetzen? Ist seine Arbeit wegweisend für die viel beschworene "Achtsamkeits-Revolution"(Time-Magazine), die unsere Gesellschaft sanft zum Positiven verändern soll, quer durch Wissenschaft, Politik, Pädagogik und Wirtschaft? Dieser Auffassung ist zumindest die Redaktion des britischen Technologie-Magazins Wired, die Gunatillake auf ihrer "Smart List" zu jenen 50 Menschen zählt, die die Welt künftig maßgeblich verändern werden.

"Sinnstiftende Ökonomie"?

Auch das Bild meditierender Manager liegt heute im Trend, und namhafte Firmen setzen mittlerweile auf Meditation und Achtsamkeitsübungen als Teil der Unternehmenskultur. Darunter auch der Google-Konzern, der nicht nur ein eigenes Achtsamkeitsprogramm entwickelt hat, sondern auch mit groß angelegten Konferenzen das Thema besetzt: Achtsamkeit soll mit Technologie und Wirtschaft zusammengebracht werden, um zu einer "neuen, sinnstiftenden Ökonomie" zu gelangen, heißt es in der Bewerbung der Veranstaltungsreihe. Ende April etwa findet in Berlin die Google-"Mind"-Konferenz statt, welche die vielseitigen Wirkungen dieser Geistesqualität - und ihre Bedeutung für die Entwicklung von Weisheit, Empathie und Mitgefühl - beleuchten soll. Neurowissenschafter, Glücks- und Innovationsforscher, Führungskräfte sowie "Lehrer der großen Weisheitstraditionen" werden sich hierzu ein Stelldichein geben.

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