EU Fahnen - © Bild von icsilviu auf Pixabay

"Die Österreichische EU-Präsidentschaft 1998"

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Am 1. Juli 1998 wird Österreich - als erster der drei neuen Mitgliedstaaten - den Vorsitz in der Europäischen Union übernehmen. Die zentrale Aufgabe der jeweiligen Präsidentschaft ist es, die Arbeiten im Rat der EU zu strukturieren und zu leiten und als ehrlicher Makler in den einzelnen Sachfragen auf tragfähige Kompromisse hinzuarbeiten. Es wäre also verfehlt zu erwarten, Österreich könnte seine Präsidentschaft vor allem dazu nützen, eigene Anliegen auf europäischer Ebene durchzusetzen. Im Gegenteil wird eine Präsidentschaft daran gemessen, inwieweit es ihr gelingt, die laufenden Arbeiten in der Union - man spricht in diesem Zusammenhang oft vom "Pflichtprogramm" - zu managen.

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In den kommenden sechs Monaten sind etwa 40 Ministerratstagungen und zwischen 1.300 und 1.600 Treffen von österreichischen Beamten zu leiten, der größte Teil davon in Brüssel. Dazu kommen noch zahlreiche Kontakte mit Drittstaaten sowie Termine im Europäischen Parlament und in seinen Ausschüssen. Man kann die EU-Präsidentschaft daher durchaus als "Fitneßprogramm" für die österreichische Verwaltung verstehen. Trotz dieser Belastungen durch das "Pflichtprogramm" sind wir natürlich bestrebt, auch spezifisch österreichische Initiativen zu setzen. Der österreichische Vorsitz fällt in eine Zeit, in der die Union vor wichtigen Herausforderungen steht. Fünf Themen werden die österreichische Präsidentschaft besonders prägen:

1. Die Schaffung von Beschäftigung bleibt die oberste Priorität in Europa. Um eine wettbewerbsfähige, beschäftigungswirksame europäische Wirtschaft zu schaffen, muß das volle Potential des Binnenmarkts ausgeschöpft werden. Die österreichische Präsidentschaft wird sich daher mit Nachdruck für die Umsetzung des Aktionsplans für die Vollendung des Binnenmarkts, vor allem im Bereich der Harmonisierung der Steuerpolitik, einsetzen.

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2. Europa steht wenige Monate vor der Einführung der gemeinsamen Währung. Aufgabe in diesem Zeitraum wird es sein, eine reibungslose Einführung des Euro zu ermöglichen sowie die verstärkte wirtschaftspolitische Koordination einzuleiten. Österreich wird alle Anstrengungen unternehmen, um dazu beizutragen, den Euro zu einer starken und stabilen gemeinsamen Währung zu machen, die der wirtschaftlichen Entwicklung in Europa neue Impulse verleiht.

3. Die Erweiterung der Union wird in den kommenden Jahren eine zentrale Herausforderung für die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten darstellen. Im Rahmen der Beitrittsverhandlungen und durch eine wirksame Unterstützung der Beitrittsstaaten sind die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß die Einbeziehung der neuen Partner in die Union für beide Seiten bestmögliche Ergebnisse bringt.

4. Der dauerhafte Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen erfordert verstärkte Anstrengungen der Union. Dies gilt für den Aufbau hoher ökologischer Standards und für die Berücksichtigung des Gedankens der nachhaltigen Entwicklung in allen Tätigkeitsbereichen der Union. Österreich wird sich daher dafür einsetzen, daß die Union ihre Vorreiterrolle im globalen Umweltschutz verstärkt.

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Auch Fragen der inneren Sicherheit werden von uns vorangetrieben werden, denn offene Grenzen in Europa erfordern zugleich ein verbessertes Zusammenwirken der europäischen Polizei- und Justizstellen bei der Bekämpfung der internationalen Kriminalität, des Drogenhandels und des Terrorismus.

Der Amsterdamer Vertrag, der vom Nationalrat am 18. 6. beschlossen wurde, wird in den nächsten Monaten in Kraft treten. Der rasche und effektive Einsatz der darin vorgesehenen neuen Instrumente vor allem im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik und der inneren Sicherheit müssen meiner Ansicht nach möglichst bald umgesetzt werden.

Schließlich muß die Union ihrer wachsenden globalen Verantwortung für die Sicherung des Friedens auch durch wirksame Beiträge zum Krisenmanagement gerecht werden. 50 Jahre nach Annahme der UN-Menschenrechtsdeklaration geht es heute darum, deutliche Signale für die Stärkung der Menschenrechte zu geben - daher auch der Besuch von UN-Generalsekretär Kofi Annan bei der Menschenrechtskonferenz in Wien am 27. 6.Obwohl der Gipfel von Cardiff am 15./16. Juni 1998, der Abschluß der britischen Präsidentschaft, nicht durch "Entscheidungsdichte" auffiel, wäre es falsch ihn vorschnell als "glanzlos" zu beurteilen. Diese Atempause von der täglichen Hektik gab den europäischen Regierungschefs die Gelegenheit, über den bisherigen Entwicklungsstand der Europäischen Union nachzudenken und mögliche Entwicklungslinien zu skizzieren. Die Ergebnisse dieses Gipfels können sich daher durchaus sehen lassen, da sie bereits länger existierendes Unbehagen in der Europäischen Union ventilierten.

Schließlich muß die Union ihrer wachsenden globalen Verantwortung für die Sicherung des Friedens auch durch wirksame Beiträge zum Krisenmanagement gerecht werden.

Zum einen wäre die Initiative des deutschen Bundeskanzlers Kohl zu nennen, die die ungleichen Finanzlasten innerhalb der Union thematisierte, zum anderen die Kritik an der mangelnden Bürgernähe und Effizienz der Europäischen Union. Oberflächlich betrachtet könnte man argumentieren, daß die Nationalstaaten nur daran interessiert sind, ihre Beiträge zu verringern. Doch hieße dies, daß man den Blick für das Wesentliche verloren hat, daß man nicht bereit ist, die Kritik von Cardiff mit den mittel- bis langfristigen Entwicklungsmöglichkeiten der Europäischen Union in Verbindung zu setzen, daß man glaubt, daß die deutsche Bundestagswahl kurzfristig Kritik entstehen ließ, die ohne Bundestagswahl nicht an die Europäische Union herangetragen worden wäre.

In Wahrheit aber zeigt Cardiff, daß die Europäische Union augenblicklich an einem Scheideweg steht, daß das alte und immer wiederkehrende Thema der "vertiefenden Integration" wieder an Aktualität und Brisanz gewonnen hat und die zukünftige Entwicklung der Union keineswegs klar ist.

Die österreichische Präsidentschaft wird sich daher auch dieser Frage annehmen. Gerade als föderal strukturierter Staat können wir unsere Erfahrungen im Bereich Subsidiarität, Bürgernähe, Transparenz und demokratischer Legitimität ganz Europa anbieten und damit unseren Beitrag zum kontinuierlichen Integrationsprozeß Europas leisten. Die Qualität unseres Vorsitzes wird aber vor allem daran gemessen werden, wie wir die inhaltliche Arbeit bewältigen.

Dr. Benita Ferrero-Waldner Staatssekretärin im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten.

Dieser Beitrag wurde durch einen Druckkostenbeitrag des BM. f auswärtige Angelegenheiten unterstützt.

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