„Die Rettung der Riffe wird nicht einfach sein“

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Der israelische Zoologe Omri Bronstein über die Gründe des Seeigel-Wachstums im indischen Ozean und dessen fatale Folgen für die Korallenriffe.

DIE FURCHE: Warum gibt es immer mehr Seeigel?

Omri Bronstein: So etwas passiert nicht über Nacht. Es gibt einen dramatischen Anstieg rund um Sansibar seit zehn Jahren. In manchen Gebieten haben wir eine sechs- bis zehnfachen Zunahme, mit mehr als zwanzig Seeigel pro Quadratmeter. Studien haben einen Zusammenhang zwischen der Überfischung und dieser Seeigel-Bevölkerungsexplosion festgestellt. In Ostafrika ist Überfischung übliche Praxis. So gibt es überall einen chronischen Mangel an Seeigel-Räubern. Dadurch erreicht die Population Dimensionen wie noch nie zuvor.

DIE FURCHE: Warum ist das so problematisch für die Riffe?

Bronstein: Seeigel leben am Meeresboden und sind vor allem Pflanzenfresser. Mit ihrem komplexen Mundwerkzeug grasen sie den Boden ab, was in den Korallenriffen ernste Schäden verursacht. Die Igel sind zwar vor allem an der dünnen Algenschicht auf den Korallen interessiert, aber sie fügen den Korallen massive Schäden zu. Wir nennen diesen Prozess Bio-Erosion. Normalerweise ist dieser Vorgang gut für das Riff, weil es das Algenwachstum kontrolliert, aber wenn die Population so zunimmt, ist der Schaden größer als der Nutzen: Die Korallen sterben ab.

DIE FURCHE: Ist der Tauchtourismus somit gefährdet?

Bronstein: Der Verlust der Riffe verursacht große Probleme. In Ostafrika ist Fischen für Millionen Menschen die Haupteinnahmequelle. Sansibar hat Glück und kann auch gut vom Tourismus leben. Doch der gestiegene Nahrungsbedarf, der auch mit dem wachsenden Tourismus zu tun hat, verschärft den Druck auf die ohnehin schon überfischten Regionen. Die Korallenriffe werden immer schneller zerstört, so lange, bis Sansibar eines Tages keine Riffe, keine Fische und auch keine Touristen mehr hat. Die Touristen fahren dann einfach woanders hin, aber die Einheimischen bleiben mit nichts zurück.

DIE FURCHE: Was kann dagegen getan werden?

Bronstein: Ich versuche seit zweieinhalb Jahren, genügend Daten zu sammeln, um das Phänomen wissenschaftlich zu erklären. Wir versuchen politische Entscheidungsträger zu überzeugen, bedrohte in geschützte Gebiete umzuwandeln. Dort darf dann nicht mehr gefischt werden und dann können sich der Rest der lebenden Korallen und auch der Fischbestand erholen. Die Ausbreitung des Seeigels wird somit wieder natürlich limitiert. Aber auch wenn unsere Daten überzeugende Beweise sind, wird die Rettung der Riffe nicht einfach sein – in einem Teil der Welt, wo es viele dringende Probleme gibt und wo viele von westlicher Entwicklungshilfe enttäuscht sind. (emb)

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